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Bedrückende Zeiten

7. Oktober 2020 in Kommentar, 16 Lesermeinungen
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Angst essen Seelen auf - Wir sollten als Kirche dagegen an das Wort Jesu erinnern: "In der Welt seid ihr in Bedrängnis; aber habt Mut: Ich habe die Welt besiegt" - Ein Gastkommentar des Pastoraltheologen Hubert Windisch


Regensburg (kath.net)

Es sind bedrückende Zeiten, die wir unter dem Vorzeichen von Corona erleben. Maß und Ziel scheinen im Umgang mit dieser Virusherausforderung weithin verlorengegangen zu sein. Vladimir Dimitrijevic schreibt im Rückgriff auf den Roman „Der Prozeß“ von Franz Kafka von kafkaesken Zuständen bei der öffentlichen Bekämpfung der Coronapandemie. Er spricht von einer Corona-Religion, die als ihr Brandopfer den gesunden Menschenverstand fordere. Aus lauter Angst vor dem Tod wird in bezug auf Kultur, schulische und universitäre Bildung, Wirtschaft, Sport und Religion ein soziales Dauersterben vor dem Tod produziert. Dabei drängen sich Fragen zu vielen Maßnahmen auf: Wenn Masken schützen, warum dann Abstände, wenn Abstände schützen, warum dann Masken? Jährlich sterben ca. 2,5 Millionen Menschen weltweit an AIDS. Welche „Masken“ und „Abstände“ könnten vor dieser Krankheit schützen? Täglich werden in Deutschland ca. 400 Kinder im Mutterleib getötet. Gibt es „Masken“ und „Abstände“ gegen diese Tötungsroutine? Warum läßt man den wissenschaftlichen Streit um die Entstehung des Coronavirus und seine Gefährlichkeit nicht offen zu, sondern feuert parteigestützte mediale Breitseiten gegen kritische Geister ab, die als Verschwörungstheoretiker diffamiert werden? Wo sind Verantwortungsträger des öffentlichen Lebens, die zu vernünftiger Vorsicht mahnen und ihre Entscheidungen unter der Maßgabe der transparenten Abwägung der in offenen Debattenräumen gefundenen Fakten und Argumente treffen? 


Wäre es im Augenblick nicht die Aufgabe der Kirche, sich kritisch und durchaus auch oppositionell in den angstbesetzten Umgang mit dem Coronavirus einzumischen und dabei einen unverzichtbaren Dienst für viele zu leisten? Aus dem Selbstbewußtsein heraus, nicht von der Welt in der Welt für die Welt da zu sein, könnte sie eine Tiefendimension menschlichen Lebens wahren, die von oben, vom Himmel, von Gott kommt. Leider mußten die Gläubigen erfahren, daß sich die Kirche vor allem in der Liturgie eilfertig mit den staatlichen Vorschriften gleichschalten ließ, ja sogar bisweilen eilfertiger als staatliche Stellen reagierte. Ein Konzelebrant sagte mir bei einer Beerdigung im Juli in der Sakristei: Nirgends werden die Anticoronaregeln so ernst genommen wie in der Kirche. Welche Auswüchse das hervorbringen kann, habe ich als Konzelebrant bei einer anderen Beerdigung erlebt: Vor der Kommunionausteilung desinfizierte der Pfarrer ausgiebig seine Hände und zog dann dazu noch Einweghandschuhe an. Ich dachte bei mir: Ist denn der Leib Christi ein Müllsack? Und viele Gläubige klagen nach wie vor, daß ihrem Empfinden nach dieses Jahr Ostern ausgefallen ist. Die Kirche müßte und dürfte der Gefahr wehren, daß sich das ius sacrum im ius publicum verflüchtigt und sie so ihr Wesen und ihren ureigenen Dienst verrät, wie Joseph Ratzinger in seinem Beitrag „Das Gewissen in  der Zeit“ von 1972 betonte.

Angst essen Seele auf. So lautete 1974 der Titel des Films von Rainer Werner Fassbinder. Genau das geschieht derzeit im Zeichen von Corona. Wir sollten als Kirche mit allen praktischen, vor allem auch liturgischen Implikationen dagegen an das Wort Jesu aus dem Johannesevangelium (vgl. 16,33) erinnern: „In der Welt seid ihr in Bedrängnis; aber habt Mut (also: keine Angst): Ich habe die Welt besiegt.“ 

 

Prof. Dr. Hubert Windisch ist emeritierter Professor für Pastoraltheologie der Theologischen Fakultät der Universität Freiburg.


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Lesermeinungen

Brigitte S.R. 14. Oktober 2020: Herbstlicht

Vielen Dank für das erschütternde Foto und für den
-trotzdem - Witz

Brigitte S.R. 14. Oktober 2020: Bedrückende Zeiten

Ich bin sehr dankbar über den Beitrag von Prof. Windisch. Es ist das erstemal, daß ich von katholischer Seite mal etwas Kritisches zu den Corona-Maßnahmen höre und zum Verhalten der Kirche in dieser Zeit. Ich selber und viele Menschen mit denen ich spreche - davon die meisten sehr kirchentreu -fühlen uns von der Kirche im Stich gelassen. Bei den Gottesdiensten haben wir nicht mehr das Gefühl, daß es um die Frohbotschaft geht, sondern nur noch um Sicherheit und immer nur Sicherheit und um Vermittlung von Angst. So geht die Kirche völlig an ihrem Auftrag vorbei und wir -bisher immer Kirchentreuen - gehen eben auch nicht mehr in die sog. Gottesdienste.Dennoch vielen Dank für Ihre ehrlichen Worte und ihre differenzierte Sichtweise.

lesa 9. Oktober 2020: Glaube in Corona-Zeiten

Danke für den Artikel!
"Angst verhindert nicht den Tod. Sie verhindert das Leben" (aus einem Leserbrief)
"In der Welt habt ihr Bedrängnis. Aber seid mutig, denn ich habe die Welt besiegt." (Joh 16, 33)

Herbstlicht 8. Oktober 2020: @Stefan Fleischer

Ich erinnere mich: Als ich vor 17 Jahren Umkehr erfuhr und wieder zu Gott fand, da war ich so unwahrscheinlich glücklich und vor allem unendlich dankbar.
Es war mir, als öffnete sich eine Tür vor mir, dahinter neues Land, das ich entdecken durfte.
Zur Kirche zu gehören erfüllte mich mit Freude und Stolz.
Das ist auch heute noch der Fall, doch ist Ernüchterung eingekehrt.
Die Kirche mit Christus als ihr Haupt - das ist es, was mich trägt.
Die Kirche, als Apparat der Bischöfe, das ist es, was mich ihr entfremdet hat.
Vielleicht ändert sich das auch wieder, hoffentlich!
Gottes Segen für Sie!

Herbstlicht 8. Oktober 2020: @Stefan Fleischer -1-

Ja, auch der Umgang der Kirche mit den Glaubenswahrheiten und der Tradition ist für viele von uns eine schmerzliche Erfahrung und Sie thematisieren dies dankenswerterweise ja auch immer wieder.

Sie schreiben:
"Die Kirche von heute ist nicht mehr die Gleiche wie vor 40 Jahren" erklärte stolz unsere Gemeindeleiterin in einem Interview.
Jedoch, ich fürchte, diese Einschätzung trifft nicht nur auf Ihre Gemeindeleiterin zu, sondern auch auf einen Großteil der heutigen Katholiken, sie befürworten die Anpassung der Kirche an die Erwartungen der Welt. Was sie damit aufzugeben bereit sind, ist ihnen nicht klar oder aber sie nehmen es billigend in Kauf.

Chris2 8. Oktober 2020: Gott vergessen

@vk Ja, das wäre es: Der Papst, alle Bischöfe, Priester und kirchliche Organisationen rufen für z.B. 19:00 zu einem mindestens halbstündigen Gebet auf. Rosenkranz und andere Gebete dazu gibt es in jedem Gebetbuch oder im Internet. Warum man das nicht macht? Gute Frage. Ich fürchte, selbst viele Priester glauben nicht mehr an die Macht des Gebetes (Text in meinem Reliunterricht damals: "Der Glaube, dass man durch Gebet etwas zu verändern, würde zur schlimmsten aller Abhängigkeiten führen') oder der Satz "Corona ist keine Strafe Gottes", der schon bei AIDS kam (die Schwulenkrankheit, die aus ideologischen Gründem keine sein durfte, obwohl die Opfer damals zu über 80 oder gar über 90% männliche Homosexuelle waren - völlig unverantwortlich gegenüber den Gefährdeten, aber natürlich zeitgeistkonforme, und damit "gute", Fake News)

Stefan Fleischer 8. Oktober 2020: @ Herbstlicht

"Nicht dem Glauben, aber der Kirche als Institution fühle ich mich entfremdet." Diesem Satz kann ich nur beipflichten. Dabei geht es mir aber nicht so sehr um den Umgang der Kirche mit Corona, als mit ihrem Umgang mit den Glaubenswahrheiten und der Tradition. "Die Kirche von heute ist nicht mehr die Gleiche wie vor 40 Jahren" erklärte stolz unsere Gemeindeleiterin in einem Interview. Die Kirche von heute ist nicht mehr die Kirche meiner Jugend ist meine Erfahrung. Und der Grund dafür ist, dass Gott nicht mehr der Gleiche ist wie damals. Der «Primat des Allerhöchsten», von dem unser Heiliger Vater kürzlich sprach, wurde durch einen Primat des Menschen, das ewige Heil durch das irdische ersetzt. Immer mehr dringt das Gift des moralistisch-therapeutischen Deismus in unsere Kirche ein. Doch wo der Mensch (statt Gott) im Zentrum steht, steht er überall im Wege.

vk 8. Oktober 2020: Gott vergessen

Corona steht im Mittelpunkt offensichtlich wurde vergessen (sehr wenige zögerliche Akzente) Gott zu bitten die Situation zu wenden. Es wurde nicht einmal richtig versucht. Ein paar Stunden innehalten würde die Pandemie stillegen- man hats vor vielen hundert Jahren in Rom gesehen.

Numen 7. Oktober 2020: Hubert Windisch IST Priester

Von daher konzelebriert er nicht nur, sondern zelebriert, wie für einen Priester üblich :-)

Im übrigen trifft seine Analyse mal wieder ins Schwarze. Warum nur haben viele Kleriker mehr Angst vor dem Tod als Laien? Sie werden es wissen.

Herbstlicht 7. Oktober 2020: Nicht dem Glauben, aber der Kirche als Institution fühle ich mich entfremdet.

Alles, was das menschliche Miteinander ausmacht, wird massiv eingeschränkt:
körperliche Nähe, Vertrautheit,
bei einer Begrüßung den Anderen -so man ihn gut kennt- in den Arm nehmen oder ihm die Hände schütteln,
das Gesicht des Gegenübers wahrnehmen und damit seine Gefühle erkennen.
Stattdessen: maskierte Gesichter und Abstand ...

Zur Arbeit gehen und konsumieren soll man, aber tanzen und Gemeinschaft pflegen ist nicht möglich.
Was würden die meisten von uns sagen, wenn wir uns ganz frei äussern könnten und nicht Angst haben müssten, ausgegrenzt zu werden?
Und so trägt jeder dazu bei und bestärkt dadurch auch die anderen und Gruppendruck entsteht.
Bürger disziplinieren sich gegenseitig.

So viele leiden und dennoch kaum ein Thema für die Kirche.
Sie schweigt fast gänzlich!

Herbstlicht 7. Oktober 2020: Angst, Traurigkeit, Einsamkeit, Überforderung - und die Kirche stand abseits

Ein Foto zeigt dies sehr anschaulich:
https://off-guardian.org/wp-content/medialibrary/5568.jpg?x91011


Trotz allem - zum Aufheitern ein Witz, der jedoch die momentane Realität bloßlegt:

Ein Patient fragt seinen Hausarzt: "Wann ist die Pandemie zu Ende"
Sagt der Hausarzt: "Keine Ahnung! Ich bin Arzt, kein Politiker"

Chris2 7. Oktober 2020: Passend dazu hat der mercchiavellistische Hofastrologe

Drosten gerade den ewigen Notstand ausgerufen (also die Coronadiktatur), während sein Berufskollege Streek in einem hervorragenden Interview gleichzeitig zu einem Ende von Panikmodus und Verbotspolitik aufruft (siehe Link). Die Zahlen der an bzw. mit Corona verstorbenen der letzten Monate gibt Letzterem Recht (Google: corona tote deutschland).

web.de/magazine/news/coronavirus/corona-pandemie-virologe-hendrik-streeck-verbotspolitik-35144824

SalvatoreMio 7. Oktober 2020: Konzelebrant

@Herrn Fleischer: Sicher, ein Konzelebrant ist ein Priester, der am Altar konzelebriert. - Im Text klingt es so, als habe der Pastoraltheologe Windisch konzelebriert. Aber ich lese im Internet, dass er auch Priester ist!

Salvian 7. Oktober 2020: "Angst essen Seele auf"

Ein guter Beitrag. Aber woher kommen die Zitate von Vladimir Dimitrijević? Laut Wikipedia war das ein 2011 verstorbener Schweizer Verleger serbischer Abstammung. Oder gibt es noch einen Namensvetter?

@pjka: Entsetzlich, was Sie aus dem Bistum Aachen berichten.

Stefan Fleischer 7. Oktober 2020: Ja, bedrückende Zeiten

wenn man immer wieder den Eindruck hat, die Kirche - oder wenigstens jene, welche als Vertreter und Führer dieser Kirche in der Öffentlichkeit auftreten - kümmerten sich um alles und jedes, nur nicht mehr um das ewige Heil der Ihnen anvertrauten unsterblichen Seelen, um Gott, um die Kirche als Kirche und um den Glauben als solchen, den ganzen, ungekürzten und ungeschönten Glauben und die Vorschriften aus Rom.
Noch eine kleine Frage: Was heisst heute Konzelebrant? In meiner Jugend war dieser Titel für Priester reserviert, welche das Heilige Messopfer am Altar mitzelebrierten. Oder irre ich micht?

pjka 7. Oktober 2020: Vorauseilender Gehorsam

An unseren Kirchen befinden sich Aushänge, die Menschen mit Krankheitssymptomen (=Kranke) bitten, nach Hause zu gehen. Was würde wohl Jesus dazu sagen? Eine Kirche, die Kranke nach Hause schickt? Daß da niemand im Generalvikariat wach wird ist schon seltsam. Und: wenn Masken und Abstand eine Ansteckung verhindern, warum dürfen dann Kranke nicht hinein? Mein diesbezügliches Schreiben an Bischof Dieser / Aachen blieb unbeantwortet. Auch eine Respektlosigkeit die ich mir bei Jesus nicht vorstellen kann.
Aber der Synodale Weg bindet halt viele Ressourcen ...

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