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Erzbistum Köln reagiert auf Diskussion um die handschriftliche Notiz aus dem Jahr 2010

23. Oktober 2020 in Deutschland, 2 Lesermeinungen
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"Einige in der Öffentlichkeit diskutierte Informationen sind nicht belastbar, stellen teilweise Interpretationen dar, es vermischen sich Sachverhalte".


Köln (kath.net/pek/pl)  kath.net dokumentiert die Stellungnahme des Erzbistums Köln zur aktuellen Berichterstattung zu einem möglichen Missbrauchsfall im Erzbistum Köln in voller Länge:

Im Rahmen der seit dem 19.10.2020 durch die „Bild“ angestoßenen Berichterstattung wurde die Rolle von Erzbischof Dr. Stefan Heße im Umgang mit einem Verdachtsfall von sexualisierter Gewalt im Erzbistum Köln im Jahr 2010 viel diskutiert. Dabei ist aufgefallen, dass einige in der Öffentlichkeit diskutierte Informationen nicht belastbar sind, teilweise Interpretationen darstellen und sich Sachverhalte vermischen. Deshalb möchte das Erzbistum im Interesse aller Beteiligten diese Informationen einordnen und den Hergang auf Grundlage belastbarer Tatsachen und der aktuell vorliegenden Dokumente darstellen.

Zeitraum 2010 bis 2011

Es geht um einen Verdachtsfall sexuellen Missbrauchs, der am 07.06.2010 zur Anzeige gebracht wurde. Am 29.10.2010 wurde der verdächtigte Pfarrer durch Joachim Kardinal Meisner mit sofortiger Wirkung beurlaubt.

In der Folge kam es offenbar zu einem Gespräch des verdächtigten Pfarrers im Generalvikariat. Über dieses Gespräch wurde eine handschriftliche Notiz gefertigt, die noch erhalten ist und vorliegt, deren Inhalt aber überwiegend schlecht lesbar ist. Ein erster Transkriptionsversuch hat über den Inhalt der handschriftlichen Notiz keinen belastbaren Aufschluss geben können. Ein zweiter Versuch durch einen Archivar und Experten für orthographische Transkription am heutigen Tag, dem 22.10.2020, hat ergeben, dass die handschriftliche Notiz aus drei verschiedenen Notizen besteht. Davon ist die erste eine Mitschrift einer Anhörung des verdächtigten Pfarrers durch Dr. Stefan Heße, den damaligen Personalchef.


Darüber hinaus gibt es eine Gesprächsnotiz vom 03.11.2010 über ein Telefonat zwischen der damaligen Justiziarin des Erzbistums Köln und dem damaligen Strafverteidiger des verdächtigten Pfarrers. Darin steht, dass aus der handschriftlichen Notiz kein Protokoll gefertigt werden sollte, damit sie notfalls vernichtet werden könnte. Der damalige Hauptabteilungsleiter Seelsorge-Personal, Dr. Heße, habe dazu sein Einverständnis gegeben.

Aus der Passage der Gesprächsnotiz, dass der verdächtigte Pfarrer „hier alles erzählt hat“, ist der Eindruck entstanden, es handele sich um ein Geständnis. Hierbei handelt es sich um eine Interpretation. Nach dem Ergebnis der letzten Transkription gibt es keine Hinweise auf ein Geständnis. Zudem gibt Dr. Stefan Heße in einer Anhörung durch die Staatsanwaltschaft am 08.12.2010 an, dass der verdächtige Pfarrer ihm gegenüber die Vorwürfe bestritten habe.

Am 28.03.2011 wurde das Ermittlungsverfahren gegen den verdächtigten Pfarrer eingestellt, nachdem die Betroffenen von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht haben. Die Aussagen waren damit nicht zurückgezogen, durften jedoch nicht mehr als Beweismittel verwendet werden. Die Anwältin der Betroffenen legte gegen die Einstellung zunächst Beschwerde ein, zog diese jedoch später zurück, da die Betroffenen selbst darum gebeten hatten, nicht in einem staatlichen oder kirchlichen Verfahren beteiligt zu werden. Am 22.06.2011 nahm Joachim Kardinal Meisner die Beurlaubung zurück und zahlte dem Pfarrer 3.000 Euro Anwaltskosten unter Vorbehalt keiner weiteren Ermittlungen. Die Aktenstücke zu diesem Vorgang wurden kirchenrechtsgemäß gesondert und unter exklusivem Zugangsrecht des Erzbischofs verwahrt, Teilakten jedoch an unterschiedlichen Stellen im Erzbistum aufbewahrt.

Zeitraum 2018 bis 2020

Nach der Einrichtung der Stabsstelle Intervention durch Rainer Maria Kardinal Woelki im Juli 2015 wurden die verschiedenen Aktenbestände sukzessive zusammengeführt. Ab 2016 wurden für die sogenannte MHG-Studie, die die Deutsche Bischofskonferenz in Auftrag gegeben hat, alle Akten gesichtet, Informationen für die Forscher zusammengestellt und zur Verfügung gestellt. Im weiteren Verlauf wurden alle bis dahin bekannten Fälle intern einer weiteren Prüfung unterzogen und Ende 2018/Anfang 2019 den Staatsanwaltschaften zur erneuten Überprüfung zur Verfügung gestellt.

Im Herbst 2018 wurde zudem durch Rainer Maria Kardinal Woelki die unabhängige Untersuchung in Auftrag gegeben. Sie soll eine umfassende Aufarbeitung der Ereignisse und persönlichen Verantwortlichkeiten in Form eines sachlichen und belastbaren Gutachtens erreichen und dafür einen zur Veröffentlichung geeigneten Bericht erstellen.

Zu dem gerade in den Medien diskutierten Fall wurden über den damaligen Leiter Stabsstelle Intervention, Oliver Vogt, der die unabhängige Untersuchung führenden Kanzlei diese Akten zur Verfügung gestellt und um ein Sondergutachten gebeten. Dieses Sondergutachten sollte klären, ob und welche Versäumnisse im Zeitraum 2010-2011 aufgetreten sind und wie mit dem Sachverhalt zügig und entschieden fortgefahren werden kann. Am 07.03.2019 kam die Kanzlei zu dem einzigen Ergebnis, dass eine Meldung an die Glaubenskongregation im Rom 2010 pflichtwidrig ausgeblieben ist.

Daraufhin wurde über die Interventionsstelle des Erzbistums Köln die Anwältin der Betroffenen darüber in Kenntnis gesetzt, dass eine interne Untersuchung neu aufgenommen wurde und gefragt, ob die Betroffenen kontaktiert werden dürften. Dann wurden die Betroffenen selbst über die damals pflichtwidrig unterbliebene Meldung und die neue Untersuchung durch die Stabsstelle Intervention in Kenntnis gesetzt. Am 04.04.2019 wurde der verdächtigte Pfarrer erneut durch das Erzbistum konfrontiert und angehört. Er bestritt alle Vorwürfe. Am 05.04.2019 wurde die von Rainer Maria Kardinal Woelki angeordnete sofortige Beurlaubung und Untersagung der Ausübung seines priesterlichen Dienstes in einem Proklamandum und einer Pressemitteilung kommuniziert.

Schließlich wurde Oliver Vogt am 08.04.2019 informiert, dass durch die Wiederaufnahme des Falles durch das Erzbistum Köln die Betroffenen ihre ursprünglichen Aussagen wiederholen würden. Einen Tag später telefonierte Oliver Vogt mit der Staatsanwaltschaft, die daraufhin die Ermittlungen wieder aufnahm. Um Ermittlungen der Staatsanwaltschaft nicht zu behindern, wurden alle kirchenrechtlichen Schritte eng mit der Staatsanwaltschaft abgestimmt. Am 14.04.2019 wurden schließlich alle Akten zu dem verdächtigten Pfarrer der Staatsanwaltschaft übergeben, die am 31.07.2020 schließlich Anklage erhob. Das Erzbistum hat zugesagt, die Anwaltskosten der Betroffenen zu übernehmen.


Foto: Symbolbild


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Lesermeinungen

Martinus Theophilus 23. Oktober 2020: Schlechte Qualität der Stellungnahme.

Es ist zwar grundsätzlich gut und richtig, dass sich das Erzbistum Köln zur Sache äußert. Allerdings ist die Stellungnahme bereits sprachlich mangelhaft. Sachlich abstruse Schwurbelsätze wie: "Schließlich wurde Oliver Vogt am 08.04.2019 informiert, dass durch die Wiederaufnahme des Falles durch das Erzbistum Köln die Betroffenen ihre ursprünglichen Aussagen wiederholen würden." sollten in einer offiziellen Verlautbarung einer Diözese nicht vorkommen - zumal das Erzbistum Köln bekanntlich im Bereich Medien / Presse über eine üppige Personalausstattung verfügt.

Rodythgrundt 23. Oktober 2020: Aktenführung

Es fand also in dieser schwerwiegenden Causa eine Anhörung des Pfarrers durch den Personalchef Dr. Heße statt, der eine Niederschrift anfertigte, die hier als "Notiz" bezeichnet wird und die nicht nur handschriftlich, sondern auch noch in einer Sauklaue verfasst wurde. Dafür hätte ich Verständnis, wenn es sich um ein kleines Bistum im Kongo gehandelt hätte, aber hier geht es um Köln und auch nicht um Köln im Jahre 1652, sondern immerhin schon Ende 2010. Ganz unabhängig von der Schuldfrage hätte hier doch selbstverständlich in jedem Fall ein ordentliches gedrucktes Protokoll angefertigt werden müssen! Aber es war ja beabsichtigt, "notfalls zu vernichten". Hier fragt sich nur noch, was mit "notfalls" genau gemeint war.

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