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Geschichte der Slowakei untrennbar mit Christentum verbunden

26. August 2021 in Weltkirche, keine Lesermeinung
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Von den Slawenapostel Kyrill und Method bis zur Kirchenverfolgung in kommunistischer Zeit - Von Wolfgang Bahr


Bratislava  (kath.net/KAP) Die Geschichte der Slowakei und der Slowaken ist von jener des Christentums nicht zu trennen. Die Donau trennte das Römische Reich, in dem das Christentum langsam Fuß fasste, von den heidnischen Völkern im Norden. Erst zu Beginn des 9. Jahrhunderts wird der christliche Einfluss auch jenseits des Limes fassbar. Mit der Christianisierung der Slawen begannen fränkische Priester des lateinischen Ritus. Daran erinnert bis heute das Patrozinium des Doms von Nitra zum heiligen Emmeram. Zu einer ersten slawischen Staatsbildung kam es mit dem Großmährischen Reich, dessen Bestand mit den Jahren 833 bis 906 datiert wird.

Das Reich hatte zwei Zentren: das eine nordwestlich der March im heutigen Tschechien - besonders in Velehrad, Stare Mesto, Mikulcice und Pohansko -, das andere in der südwestlichen Slowakei - mit den wichtigsten Städten Nitra, Bratislava, Devin und Kopcany. Um sich vom fränkischen Einfluss abzugrenzen, erbat Fürst Rastislav vom oströmischen Kaiser die Entsendung von Missionaren. Im Jahr 863 brachten die aus Thessaloniki gebürtigen Brüder Zyrill und Method, die zuvor auf der Krim gewirkt hatten, die Tradition der Ostkirchen in das Gebiet des Großmährischen Reiches, jedoch bei gleichzeitiger Respektierung der westlichen Tradition. Belege dafür sind die Übersetzungen liturgischer Bücher des byzantinischen wie auch des lateinischen Ritus ins Altkirchenslawische.

Im Lauf von 200 Jahren gewann der lateinische Ritus die Oberhand, vor allem in der Ostslowakei hat sich der byzantinische Ritus aber bis heute erhalten. Ab der Landnahme des Karpatenbeckens durch die Ungarn im Jahr 896 war die Slowakei ein Bestandteil ihres Reiches. Das Doppelkreuz des heutigen Staatswappens, das auch auf den Ein- und Zweieuromünzen prangt, hat eine lange Vorgeschichte in der ungarischen Heraldik mit einem Schwerpunkt in Oberungarn, etwa in Nitra und Pressburg. Der 1848 in Wien gegründete Slowakische Nationalrat verwendete das Doppelkreuz dann erstmals als Symbol des slowakischen Volkes. Der Klerus und die Nationswerdung Die nationale Erweckung der Slowaken erwies sich als weitaus schwieriger als jene der Tschechen.

Hatten diese nur einen einzigen unmittelbaren Gegner, nämlich die Deutschen, so mussten erstere einen Zweifrontenkrieg führen: gegen die Ungarn, deren Nationalismus bis hin zum Ersten Weltkrieg immer bedrohlichere Formen annahm, zugleich aber gegen auch die Tschechen, die sich als Rettungsanker anboten. Einen bedeutenden Anteil an der Nationswerdung hatte der katholische niedere Klerus, der in Ermangelung eines slowakischen Bürgertums in die Bresche sprang - die Städte waren von Deutschen und Ungarn dominiert und die Bischöfe waren bis zuletzt überwiegend ungarische und deutsche Adelige. Nicht minder wichtig waren jedoch die lutherischen Pfarrer, die vom Studium in Deutschland den Slowaken die Aufklärung und vor allem Herders Begeisterung für die Slawen vermittelten.


Das Evangelische Lyzeum in Pressburg wurde zu einer Keimzelle des nationalen Aufbruchs. Während Tschechen, Polen und Ungarn auf ein altes Schrifttum in ihrer Sprache zurückblicken konnten, mussten die Slowaken erst klären, ob sie überhaupt auf einer eigenen Schriftsprache beharren oder das Tschechische übernehmen wollten. Mit der Eigenständigkeit preschten zunächst die Katholiken um den Pfarrer Anton Bernolak (1762-1803) vor. 1843 beschlossen dann auch die Evangelischen, sich vom Tschechischen zu lösen, und 1847, am Vorabend der Revolution, einigte man sich auf eine gemeinsame Schriftsprache, indem die evangelische Gruppe um Ludovit Stur (1815-1856) mit gewissen Konzessionen die Bernolak-Gruppe an Bord holte. Nationale Spannungen In der Revolution von 1848 meldeten sich die Slowaken erstmals politisch zu Wort.

Die "Forderungen des slowakischen Volkes" vom 11. Mai deckten sich mit den liberalen Forderungen, die in Wien erhoben wurden, umfassten aber neben der Umwandlung Ungarns in einen Bundesstaat auch die völlige Gleichstellung der Slowaken in allen Bereichen wie Ämtern und Schulen, die bis dahin nicht gegeben war. Die Petition wurde von der ungarischen Regierung umgehend zurückgewiesen. Infolgedessen unterstützten die Slowaken im Krieg gegen Ungarn die kaiserliche Seite. Der von Wien danach eingeschlagene zentralistische Kurs des Neoabsolutismus und später die Ansätze zur Demokratisierung erlaubten 1863 die Gründung der Matica Slovenska, die eine umfassende Kulturarbeit betrieb.

Erster Präsident war der katholische Bischof von Banska Bystrica, Stefan Moyzes, sein Stellvertreter der evangelische Superintendent ebenda, Karol Kuzmany. Doch schon 1875 wurde die Matica von der durch den Ausgleich von 1867 gestärkten ungarischen Regierung ohne Begründung verboten. Sie konnte ihre Tätigkeit erst 1919 in der Tschechoslowakei wieder aufnehmen. Einen Höhepunkt der nationalen Spannungen markierte das Massaker im Dorf Cernova am 27. Oktober 1907, es ist heute ein Stadtteil von Ruzomberok. Auf Befehl des örtlichen Chefs der ungarischen Gendarmerie schossen die Gendarmen in eine versammelte Menge slowakischer Zivilisten, die gegen die Einweihung der örtlichen römisch-katholischen Kirche durch einen ungarischen Priester anstatt des Slowaken Andrej Hlinka demonstrierten. Dabei wurden 15 Menschen - Männer, Frauen und Kinder zwischen 14 und 55 Jahren - erschossen bzw. starben an den Folgen ihrer Verletzungen.

Weitere 52 Menschen wurden verletzt. Das Massaker richtete die internationale Aufmerksamkeit auf die katastrophale nationale Lage der Slowaken und anderer nichtmagyarischer Völker. Der ungarische Außenminister Geza Jeszenszky (1990-1994) beurteilte das Massaker von Cernova als den "Wendepunkt", nach welchem man beispielsweise in Großbritannien dem bis dahin als "liberal" geltenden Ungarn "russischen Despotismus" vorzuwerfen begann. Politischer Katholizismus Mit Andrej Hlinka (1864-1938) betrat ein Geistlicher die politische Bühne der Slowakei, der bis zu seinem Tod den politischen Katholizismus des Landes prägen sollte. Als Realpolitiker unterstützte er 1918 den Beitritt der Slowakei zur neugegründeten Tschechoslowakei, in deren Parlament er für die ab 1925 auch seinen Namen tragende "Hlinkas Slowakische Volkspartei" bis 1938 saß.

Doch gegen den Tschechoslowakismus, der in seiner extremen Form die slowakische Nation in Frage gestellt hätte, lief er Sturm. In den letzten Jahrzehnten des alten Königreichs Ungarn war das Schulwesen der Slowaken dramatisch madjarisiert worden - von 2.000 slowakischen Volksschulen zu Beginn der 1870er Jahre gab es 1912 nur mehr 377. Das dadurch entstandene Vakuum wurde nun vielfach durch tschechische Lehrer aufgefüllt, die aber auch liberale Ideen mit sich brachten, die in der noch weitgehend bäuerlich geprägten slowakischen Gesellschaft auf Widerstand stießen. Immer stärker wurde so die Dynamik der Gleichsetzung von Christentum und Katholizismus; die ökumenische Komponente der Nationswerdung im 19. Jahrhundert trat in den Hintergrund. Beides gilt bis heute. Ein wichtiges Ereignis in der katholischen Kirchengeschichte war die Ernennung der ersten drei national slowakischen Bischöfe am 16. Dezember 1920: Karol Kmetko für Nitra, Marian Blaha für Banska Bystrica und Jan Vojtassak für Spis.

Der Weihe heuer vor hundert Jahren am 21. Februar wurde im Dom zu Nitra trotz Pandemie festlich gedacht. Die Tiso-Zeit Andrej Hlinka verstarb am 16. August 1938. Sein Szepter übwernahm nun sein politischer Zögling, der Priester Jozef Tiso (1887-1947). In etwas mehr als einem Jahr stieg er zum Präsidenten und 1942 zum Führer (vodca) der souveränen Slowakischen Republik auf, die unter seiner Mitwirkung, aber auf Betreiben Adolf Hitlers am 14. März 1939 ausgerufen wurde. Tisos Zulassung der Deportationen und damit Ermordung von insgesamt rund 70.000 Juden wurde vom Vatikan kritisiert, was Tiso aber nicht anfocht. Die Ausnahmegenehmigungen vom sogenannten Judenkodex, die Tiso erteilte, werden diesem aber bis heute von seinen Bewunderern zugute geschrieben. Vor allem in den rechtslastigen Parteien - der "Volkspartei - Unsere Slowakei" des früheren Landeshauptmanns von Banska Bystrica, Marian Kotleba, oder der von der Volkspartei abgespaltenen "Republika" - wird Tiso unverhohlen verehrt und von einzelnen Geistlichen wird sogar seine Seligsprechung gefordert. Nach der Besetzung der Slowakei durch sowjetische Truppen im April 1945 floh Tiso über Kremsmünster nach Altötting in Bayern.

Trotz einer Intervention des Münchner Erzbischofs Kardinal Michael Faulhaber bei der alliierten Militärregierung, wonach Tiso "in seinem Land das religiöse Leben trotz mancher Schwierigkeiten lebendig" erhalten habe, wurde er an die tschechoslowakische Regierung ausgeliefert, von einem Volksgerichtshof zum Tod durch den Strang verurteilt und am 18. April 1947 als Kriegsverbrecher hingerichtet. Machtergreifung der Kommunisten Das Ende der Diktatur 1945 bedeutete eine Öffnung der Grenzen, von der auch die Kirche Gebrauch machte. Doch die Freude über die wiedergewonnene Freiheit wurde in der Slowakei getrübt durch den Verlust der nationalen Selbständigkeit. Die Machtergreifung der Kommunisten im Februar 1948 erschwerte gerade in der Kirche eine Aufarbeitung der Probleme - und in mancher Hinsicht gilt dies bis heute. Der Diskurs, der in Deutschland und in Österreich durch die Meinungs-, Vereins- und Medienfreiheit zögerlich, aber doch anlief, war hier nicht möglich. Jetzt ging es für die Kirche ums nackte Überleben.

Ein Beispiel für die Komplikationen in der Slowakei gab Kardinal Jan Chryzostom Korec (1924-2015). Seine Schilderung der "Nacht der Barbaren" vom 13. auf den 14. April 1950, in der die Ordensgemeinschaften liquidiert wurden, wurde ein Bestseller. Der Jesuit war das geistliche Oberhaupt der Untergrundkirche, die in der Slowakei nicht wie in Tschechien eigene Wege ging, sondern dezidiert papsttreu blieb. Doch nach der Wende 1989 fand Korec als Bischof von Nitra nichts daran, am Geburtshaus des Diktators und bekennenden Antisemiten Jozef Tiso eine Gedenktafel zu segnen. Und in seinen letzten Lebensjahren ließ er sich von dem Linkspopulisten Robert Fico für dessen Machtpolitik einspannen, nur weil dieser sozial gesinnt und ein guter Slowake sei. Zugute halten muss man Korec allerdings, dass er 1987 eine im Untergrund entstandene wegweisende "Erklärung zur Deportation der Juden aus der Slowakei" unterschrieb. Auch wurde von der Staatssicherheit festgenommen, weil er die "Kerzendemonstration" vom 25. März 1988 unterstützte, die ein Vorbote der Sanften Revolution von 1989 war.

 

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