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Psychiater Haller: Missbrauchsdiskussion nicht auf Kirche einengen

24. Jänner 2022 in Österreich, 7 Lesermeinungen
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Mitglied der Unabhängigen Opferschutzanwaltschaft im Interview mit den Vorarlberger Nachrichten: Am wichtigsten ist, die Opfer ernst zu nehmen und ihre Interessen in den Vordergrund zu stellen.


Feldkirch (kath.net/ KAP)

Der Psychiater Reinhard Haller warnt davor, die Missbrauchsdiskussion auf die Katholische Kirche einzuengen. "Es sind nicht alle Missbrauchsfälle pauschal der Kirche zuzuweisen", sagte Haller im Interview der Vorarlberger Nachrichten (Freitag). Die Kirche als Institution habe sich immer klar gegen Pädophilie positioniert, "aber viele Mitglieder haben sich nicht daran gehalten". Es gebe Berechnungen, dass nur drei Promille aller Missbrauchshandlungen auf die Kirche zurückzuführen sind. Haller: "Man darf bei der Diskussion die anderen 99,7 Prozent nicht vergessen."

Bei weitem nicht alle Priester und Ordensleute seien potenzielle Täter. Innerhalb der Täterschaft seien es häufig neurotische und sexuell unreife Menschen, so Haller. Er ist Mitglied der Unabhängigen Opferschutzanwaltschaft (Klasnic-Kommission) und äußerte sich anlässlich des am Donnerstag veröffentlichten Missbrauchsgutachten in der Erzdiözese München.


Auf notwendige Präventionsmaßnahmen angesprochen betonte Haller: "Wichtig sind Enttabuisierung und Transparenz." Der Bereich Sexualität sollte mehr in der Auswahl sowie in der Aus- und Weiterbildung der Priester berücksichtigt werden. Und es stelle sich grundsätzlich die Frage, "wie in der Kirche mit dem Thema Sexualität, das ein wichtiger menschlicher Bereich ist, umgegangen wird". Der Zölibat könnte zum Beispiel freiwillig gewählt werden, auch die Rolle der Frauen in der Kirche könnte neu diskutiert werden, so der Psychiater.

Die Folgen für die Betroffenen würden von der Art der Missbrauchshandlungen, deren Dauer und deren Häufigkeit sowie dem Alter der Opfer abhängen. Betroffene würden häufig unter Selbstwertzweifeln, sexuellen Problemen und Angsterkrankungen leiden. In vielen Fällen würden Opfer auch zu Suchtmitteln greifen, um sich selbst zu "behandeln". In einem Teil der Fälle würden die Opfer später selbst zu Tätern, so Haller: "20 Prozent der Täter waren selbst einmal Opfer."

Geholfen werden könne in erster Linie durch Therapiemaßnahmen und zweitens durch finanzielle Entschädigungen als Form der versuchten Wiedergutmachung. Ganz wichtig sei es, die Opfer ernst zu nehmen und ihre Interessen in den Vordergrund zu stellen, so Haller.

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Lesermeinungen

AndreaP 25. Jänner 2022: Vergessen sollten wir dabei auch nicht,

dass es nicht nur pädophil konnotierten Missbrauch gibt. Es gibt auch Missbrauch von Erwachsenen, sowohl gleichgeschlechtlich als auch heterosexuell. Das wird eines der nächsten Themen sein, die aufs Tapet kommen ...
Noch hört man kaum etwas von diesen Opfern, aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch diese sich organisieren werden.
Und auch in dem Bereich gilt, was Herr Haller sagt: dies kommt nicht nur im kirchlichen Umfeld, sondern in vielen Bereichen der Gesellschaft vor.
Könnte man alle Taten ahnden, müsste man zahlreiche neue Gefängnisse bauen.

Fink 24. Jänner 2022: Der Gerichts-Psychiater Prof. Reinhard Haller ist ein wirklicher Experte-

im Gegensatz zu der Masse an Journalisten, die sich in der Anklagepose gefallen und die konservativen Stimmen in der Kirche zum Schweigen bringen wollen.
(ich kenne den Prof. Haller von YouTube-Videos, u.a. zum Thema Narzissmus- die haben mich in Sachen Menschenkenntnis sehr befördert).

Andrzej123 24. Jänner 2022: Meine Frage an Herrn Haller

"Der Psychiater Reinhard Haller warnt davor, die Missbrauchsdiskussion auf die Katholische Kirche einzuengen."
Ich würde Herrn Haller bitten, die Diskussion vor allem nicht bzgl der Frage einzuengen, wieviele Menschen inzwischen durch unberechtigte Missbrauchswürfe beschädigt worden sind und wieviele Opfer dadurch neu erzeugt wurden.
Ich würde ihn bitten, hierzu zahlenmäßige Schätzungen vorzulegen und zu erklären, inwieweit und von wem diese auch von seiner Branche zu verantwortenden Opfer Entschädigung erwarten dürfen.

lesa 24. Jänner 2022: Fortsetzung

Tatsächlich kann die Kirche das Thema neu angehen, z.B. indem sie "Die Theologie des Leibes" von Joh. Paul II. breitflächiger rezipiert. Humanae Vitae wäre auch "dee Überlegung wert", nach dem gesellschaftliche Befund des Überbordwerfens (Königsstein, Maria Trost)Die zentrale und erfüllende Aufgabe der Frau als Mutter-und Hausfrau neu wertschätzen, weil ohne sie die Menschen seelisch verarmen.
Zum Zölibat: Buchempfehlung: "Aus der Tiefe des Herzens" von Kard. Sarah.

Andrzej123 24. Jänner 2022: Die Wahrheitsliebe

von Aktivisten und selbsternannten Menschenschützern ist nicht existent.
Das ist bei Missbrauch nicht anders als Corona.
Insbesondere wenn sie damit Geld verdienen.

lesa 24. Jänner 2022: Fair und ehrlich

Das ist Herrn Prof. Haller hoch anzurechnen: Wiederholt äußert er sich in dieser Weise.

ottokar 24. Jänner 2022: Klare, wahr und sehr vernünftige Aussage

Vergessen wird bei der Missbrauchsdiskussion in der Kirche, dass entsprechender pädophiler Missbrauch unglaublich häufiger in Familien vorkommt.

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