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Bischof Voderholzer: Freude erwächst aus unserem Glauben – Freude, die im Glauben gründet

11. August 2022 in Spirituelles, 2 Lesermeinungen
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Predigt beim Kongress des Forums Deutscher Katholiken: „Was wir im Blick auf die Weitergabe des Lebens vor allem brauchen, ist eine noch viel größere Wertschätzung der Familie und auch ihre finanzielle Unterstützung.“


Regensburg (kath.net/Forum Deutscher Katholiken) Dieser Predigt wurde vom Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer beim Kongress Freude am Glauben vom 15. - 17. Juli in Regensburg im Pontifikalamt zur Kongresseröffnung gehalten und danach zuerst in „Der Fels“, der Zeitschrift des Forums Deutscher Katholiken, veröffentlicht. kath.net dankt dem Forum Deutscher Katholiken für die freundliche Erlaubnis zum weiteren Abdruck.

Freude erwächst aus unserem Glauben – Freude, die im Glauben gründet

Liebe Schwestern und Brüder im Herrn,
versammelt zur Messfeier zur Eröffnung des Kongresses „Freude am Glauben 2022“ im Dom zu Regensburg!
„Freude, schöner Götterfunken, Tochter aus Elysium. Wir betreten feuertrunken, Himmlische, dein Heiligtum.“
Vor ein paar Tagen habe ich sie wieder einmal gehört, diese Worte aus dem Gedicht Friedrich Schillers, vertont im 4. Satz der 9. Symphonie Ludwig van Beethovens. Deren Aufführung durch ein tschechisches Symphonieorchester war der Höhepunkt der Europawoche in Waldsassen ganz im Norden unseres Bistums, direkt an der tschechischen Grenze, die 1989 als Folge einer friedlichen Revolution wieder geöffnet wurde.

In geradezu überschwänglicher Weise rühmt Schiller die „Freude“. Er spricht ihr schon in den ersten Zeilen höchste göttliche Attribute zu: Tochter aus „Elysium“. Das ist der Wohnort der Götter in der griechischen Mythologie. Er nennt sie die „Himmlische“, sie macht uns „feuertrunken“ – für mich ganz klar – aber unausdrücklich – eine Anspielung an das Pfingstereignis, bei dem die Apostel mit dem Heiligen Geist getränkt werden, der in Feuerzungen auf sie herabkommt –, und so öffnet sich für sie auch das Heiligtum der Freude.

Was für eine Verneigung vor der Freude, eine wahrliche Apotheose, eine Vergöttlichung der Freude!

Die Freude ist die Zwillingsschwester des Glücks, und so, wie wir uns alle nach dem Glück sehnen, sehnen wir uns nach der Freude.

Als Götterfunken und Tochter aus dem Götterhimmel ist sie freilich auch unverfügbar, nicht machbar, nicht zu erzwingen. Letztlich ist sie immer Geschenk, sie kommt meist unverhofft und vergeht oft schneller als uns lieb ist, sie lässt sich nicht festhalten.

Aber es verwundert nicht, dass der von Beethoven vertonte Text mittlerweile auch zur Hymne der Europäischen Union geworden ist.

Wenn man sich näher mit der Geschichte dieses Schiller-Gedichtes befasst, erfährt man: Die Zeilen gehören noch in die frühe Schaffensperiode Schillers in seiner Sturm-und-Drang-Phase. 1785 hat er sie in Leipzig verfasst und seinem Freund Körner gewidmet. Später hat er sich zwar nicht gerade dafür geschämt, aber er war unzufrieden: Populär, volkstümlich, ohne Tiefgang. Was war geschehen? Die Vision von „Bettler werden Fürstenbrüder“, wie es in der Urfassung hieß, sie stellte sich doch als sehr naive Utopie heraus im Lichte der Französischen Revolution und aller Schrecklichkeiten, die in deren Folge über Europa gekommen waren.

Auch Schiller musste wohl einsehen, dass nicht automatisch die Brüderlichkeit ausbricht, wenn man die Väter abschafft.

Schiller hat denn auch das Gedicht noch mehrfach überarbeitet. Und in der Fassung letzter Hand heißt dann die entsprechende Zeile „alle Menschen werden Brüder“.

Warum verweise ich darauf? Was hat das alles mit uns zu tun?

Nun. Wir sind versammelt zu einem Kongress, der seit seinen Ursprüngen das Thema der „Freude“ im Titel trägt! „Freude am Glauben“. Und wir sind eingeladen, uns über den Zusammenhang von Glauben und Freude Gedanken zu machen.


Für mich ist Schillers Ode an die Freude Ausdruck der Sehnsucht nach der Freude, die Einsicht, dass die Freude nicht gemacht oder erzwungen werden kann, sondern dass es sie letztlich nur als Geschenk von oben gibt!

Als Christen wissen wir, dass diese menschliche Sehnsucht, dieser Schrei zum Himmel, beantwortet wurde.

Denn „Freude“ ist der rote Faden durch die biblische Verkündigung und eröffnet die neutestamentliche Heilsgeschichte, nach der sich auch unsere Zeitrechnung richtet.

Mit dem Gruß „Freue Dich, Maria, voll der Gnade“ grüßt der Engel Gabriel die Jungfrau Maria.

Das Wort, das im Griechischen für den englischen Gruß verwendet wird – chaĩre –, zitiert den Propheten Sacharja: „Juble, Tochter Zion!“ (9,9).

Die lateinische Übersetzung „Ave“ – „Ave Maria“ – schleift leider diesen freudigen Charakter des Grußes etwas ab, dafür lässt es als Umkehrung der Buchstabenfolge von Eva (AVE-EVA) den Grund der Freude aufscheinen: Gott selbst macht sich auf, das Verhängnis des Ungehorsams zu heilen.

Eine der schönsten Ausstattungsstücke des Regensburger Domes ist der lachende, der vor Freude strahlende Engel, hier vorne, an der Vierungssäule, gegenüber der Gottesmutter. Er ist Ziel vieler Menschen, die allein schon seinetwegen in den Regensburger Dom kommen; Ausdruck und wunderbares Zeichen der Frohen Botschaft, die er bringen darf. Die Frohe Botschaft macht auch den Boten froh.

Die Weisen aus dem Morgenland werden mit „sehr großer Freude“ erfüllt (Mt 2,10), als sie im Stall von Betlehem Maria und das Kind auf ihrem Schoß finden und darin nicht nur den König der Juden, sondern das Heil der Welt.

Gott selbst nimmt uns an, er nimmt die Menschheit an. In ihm sind wir bejaht, gerechtfertigt, bedingungslos. Und diese Zusage hält stand angesichts von Schuld und Sünde.

Freude ist das Grundmotiv von Ostern (Lk 24,42; Joh 20,20), von Himmelfahrt und Pfingsten.

„Freut euch im Herrn zu jeder Zeit! Noch einmal sage ich Euch. Freut euch!“ (Phil 4,4), schreibt der Apostel Paulus an die Philipper.

Dabei ist zu beachten: Diese Worte stehen nicht auf einer Urlaubskarte aus Malta, sondern diese Zeilen sind vermutlich mit gefesselten Händen geschrieben. Der Philipperbrief gehört zu den Gefangenschaftsbriefen des Apostels Paulus. Die Freude, die aus der Begegnung mit dem auferstandenen Herrn resultiert, lässt auch Verfolgung, Hunger und Schwert ertragen und bestehen. Sie hält stand auch angesichts der tiefsten Not.

Motto dieses Kongresses ist der gute Rat der Gottesmutter bei der Hochzeit zu Kana: „Was er [Jesus] euch sagt, das tut!“ (Joh 2,5). Weil die Diener ihn befolgten, schenkte der Herr besten Wein in Fülle, Sinnbild für die Freude!

„Jesu, meine Freude“, diese wunderbare Motette von Johann Sebastian Bach hat nicht nur ungezählte Menschen tief im Herzen bewegt, sondern erinnert uns daran: Die Freude ist letztlich identisch mit Jesus, gründet in der Beziehung zu ihm. Im Hören auf ihn und im Befolgen seines Wortes ist die Quelle der Freude.

Ein großer Theologe hat schon im vergangenen Jahrhundert die Not der Kirche und ihrer Verkündigung treffend auf den Punkt gebracht, wenn er beobachtet: Im Ursprung der Kirche traten die Prediger und Verkünder des Glaubens auf und sagten: „Ich verkünde Euch eine große Freude.“ Heute heißt es oft: „Ich verkünde Euch ein großes Problem.“

Ja, wir sind heute oft Meister der Freudlosigkeit geworden. Wir brauchen wieder eine Kultur der Achtsamkeit auf die Quellen der Freude.

Der Philosoph und Psychotherapeut Paul Watzlawick hat einmal geschrieben: Man könnte sich den ganzen Tag nur ärgern. Aber man ist nicht dazu verpflichtet.

Papst Franziskus legt vom ersten Tag seines Pontifikates besonderen Nachdruck auf die Freude am Glauben. Sein erstes Apostolisches Schreiben trägt den Titel „Evangelii gaudium“ – die Freude des Evangeliums, und das Nachsynodale Schreiben über die pastoralen Herausforderungen der Familie beginnt mit den programmatischen Worten „Amoris laetitia“ – die Freude der Liebe. Dabei geht es nicht um oberflächliche „Gaudi“ oder kurzweiligen „Spaß“, sondern um die tief gründende Freude, die aus der Versöhnung und Harmonie mit Gott erwächst. Dies wird am Ende seiner ersten vollständig selbstverfassten Enzyklika „Laudato si‘ – Über die Sorge für das gemeinsame Haus“ deutlich, wenn er dort zur Freude trotz schwerwiegender Umwelt- und Sozialprobleme in der Welt aufruft: „Gehen wir singend voran! Mögen unsere Kämpfe und unsere Sorgen um diesen Planeten uns nicht die Freude und die Hoffnung nehmen“ (Laudato si‘, Nr. 244).

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang, aus aktuellem Anlass, auch sagen: Was wir im Blick auf die Weitergabe des Lebens vor allem brauchen, ist eine noch viel größere Wertschätzung der Familie und auch ihre finanzielle Unterstützung. Ein Land, in dem Kinderreichtum nicht als Quelle der Freude gesehen wird, sondern faktisch ein Armutsrisiko darstellt, bringt sich um seine Zukunft. Was wir brauchen und wofür wir als Kirche mit großem Einsatz einstehen, ist ein flächendeckendes Angebot an Beratungs- und Hilfsangeboten für in Not geratene „Mütter in der Hoffnung“, die jede nur erdenkliche Unterstützung anbieten zur Lösung, nicht zur Beseitigung des Problems.

Dass dieser Glaube auch heute Menschen ganz neu begeistern kann, wenn er überzeugend gepredigt und vorgelebt wird, durfte ich in diesem Jahr schon mehrfach erfahren:

An Ostern durfte ich einen jungen Mann, 27 Jahre alt, Software-Entwickler, durch Taufe, Firmung und Erstkommunion in die Kirche aufnehmen. Er hatte von seiner Familie her nur mitbekommen, dass Glaube und Kirche „ja wohl das Letzte“ seien. Eine schwere gesundheitliche Beeinträchtigung brachte ihn in die Notaufnahme eines Krankenhauses, und er dachte: Jetzt ist es aus! Er wurde gesund und begann sehr ernsthaft nachzudenken – über sein Leben, über den Sinn, und über die Frage nach einem jenseits des Todes. Alle möglichen Sinnangebote hat er dann in Erfahrung gebracht und durchgespielt. Am Ende wirklich überzeugt hat ihn die Botschaft der Kirche. Das ist eine Botschaft, die trägt, die auch vor dem Forum der Vernunft standhält.

Und an Pfingsten durfte ich fast 40 erwachsene Frauen und Männer hier im Dom zu Regensburg firmen. Darunter eine junge Frau, eine Musikerin. Sie kannte zwar schon die Bibel in- und auswendig, aber sie sagte ehrlich: In der katholischen Kirche, da finde sie die schönste und angemessenste Form der Anbetung, der Verherrlichung Gottes, in der ehrfürchtigen Feier der Liturgie, der Kirchenmusik.

Vom heiligen Bonaventura, dessen Gedenktag wir heute feiern, kann man lernen: Das Zentrum unseres Glaubens, die Mitte, der dreifaltige Gott, Inhalt unseres Taufbekenntnisses, ist kein unverständliches Rätsel oder in erster Linie ein „Problem der Verkündigung“, sondern die beglückende Wirklichkeit der Liebe, die sich verströmt und uns Anteil geben will an ihrer Herrlichkeit. Gott, das höchste Gut, Gott, die größte denkbare Liebe, muss von Ewigkeit her der Austausch, das Schenken und Empfangen von Liebe sein.

Und deshalb sind wir vom Glauben auch ermächtigt, nicht nur zu postulieren wie Schiller in seiner Ode an die Freude: „Überm Sternenzelt muss ein lieber Vater wohnen“, so heißt es da ja in einer Mischung aus Pietismus und Deismus weiter. Wir dürfen vielmehr gläubig bekennen: Nicht irgendwo überm Sternenzelt wohnt ein gütiger Vater, sondern der dreifaltige Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist, hat sich uns mitgeteilt. Er steht nicht wie ein Welten-Uhrmacher seinem Produkt äußerlich und unbeteiligt gegenüber, sondern er ist in seinem Sohn Teil der Schöpfung geworden. Wer ihn sieht, sieht den Vater (vgl. Joh 14,9). In ihm leben wir, in ihm bewegen wir uns und sind wir (vgl. Apg 17,29). In seiner Gegenwart zu leben ist Gabe und Aufgabe christlicher Existenz.

„Seid umschlungen, Millionen!“ Diese aufklärerische Vision wird vollends wahr, wo der menschgewordene Gottessohn am Kreuz die Arme ausbreitet, nicht nur um sich annageln zu lassen, sondern um alle Menschen zu umarmen und an sich zu ziehen in seiner unendlichen Liebe.

Von dieser Liebe geborgen und getragen dürfen wir verkünden: Wovon das Herz voll ist, davon spricht der Mund! Kirche hat nicht nur, sondern ist Mission, sagt Papst Franziskus. Und diese Liebe Christi, sie drängt uns auch zu teilen, unsere Herzen und Hände zu öffnen, da zu sein, an die Ränder zu gehen, in Caritas und Diakonie Wunden zu verbinden, Tränen zu trocknen und dem leiblichen und geistigen Hunger der Menschen zu begegnen.

Oft müssen wir uns als Katholiken von Dritten anhören, wer wir angeblich seien und wofür wir angeblich stünden. Ich will uns deshalb in aller Einfachheit an unser Selbstverständnis erinnern:
• Wir betrachten jeden Menschen, unabhängig von allem, was er macht oder denkt, als Gottes geliebtes Kind.
• Wir sind der Überzeugung, dass jeder Mensch den göttlichen Funken in sich trägt und Erfüllung erfahren kann, wenn er ihn im Dialog mit Gott entfachen lässt.
• Wir betrachten jedes Kind als ein Wunder und ein Gottesgeschenk, welches das Leben seiner Eltern zwar nicht einfacher, aber wärmer, reicher und sinnvoller macht.
• Wir sind der Überzeugung, dass das menschliche Leben auch in Krankheit, Not und Leid sinnvoll und schützenswert ist.
• Wir wissen, dass nicht Erfolg, Geld und Leistung auf dem Sterbebett glücklich machen, sondern gelebte Beziehungen und aufrichtige Liebe.
• Wir sind uns bewusst, dass wir als Menschen immer hinter dem Ideal unseres „Selbst“ zurückbleiben und streben trotzdem weiter danach, es zu verwirklichen.

Liebe Veranstalter des Kongresses „Freude am Glauben“, ich danke Ihnen von Herzen für Ihre Erinnerungen an die Freude als Zentralmotiv unseres Glaubens. Ich grüße von dieser Stelle aus alle Referentinnen und Referenten, alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer, besonders meine bischöflichen Mitbrüder Bischof Bertram Meier und Weihbischof Florian Wörner aus Augsburg, sowie Abt Maximilian Heim aus der Zisterzienserabtei Heiligenkreuz bei Wien, der am Sonntag die Abschlussmesse zelebrieren wird. – Ich wünsche allen Foren, Vortragsveranstaltungen und gottesdienstlichen Feiern viel Heiligen Geist, dass wir in diesem Sinne „feuertrunken“, das heißt gestärkt werden in der Freude am Heiligen Geist und uns anstecken lassen davon, damit wir – wie der strahlende Engel hier im Regensburger Dom – frohen Herzens weiterschenken können, was wir empfangen haben,     Amen.

Archivfoto Bischof Voderholzer (c) Bistum Regensburg

 


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Lesermeinungen

girsberg74 11. August 2022: Ihm glaubt man gerne,

was er sagt.

Erika Hofmann 11. August 2022: Danke Herr Bischof

für diesen schönen Worte.

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