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20. Juni 2023 in Kommentar, 11 Lesermeinungen
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„Jetzt ist die Zeit!“ lautete die Losung des 38. Deutschen Evangelischen Kirchentages in Nürnberg. Der Kirchentag hat sich die Bibel für seine ideologischen Zwecke zurechtgebogen. Gastbeitrag von Pfarrer Achijah Zorn/idea
Mühlheim a.d.R. (kath.net/Evangelische Nachrichtenagentur "idea") Am letzten Sonntag ist der 38. Deutsche Evangelische Kirchentag in Nürnberg zu Ende gegangen. Im Nachgang möchte ich das Augenmerk auf eine kleine Nuance legen, die die dunklen Schatten einer politischen Theologie offenlegt.
Eine politische Theologie verdirbt zum einen die Politik, indem sakralisierte Themen (Gender, Migration, Impfung) nicht mehr offen und frei kritisiert werden dürfen. Eine politische Theologie verdirbt zum anderen aber auch die Theologie selbst. Diesen theologieverderbenden Aspekt möchte ich mit folgendem Beispiel verdeutlichen:
„Jetzt ist die Zeit“, so lautete der Slogan für den Kirchentag 2023. Als biblischen Beleg für diese Losung hat der Kirchentag Markus 1,15 angegeben. Wer diese Bibelstelle aufschlägt, muss aber feststellen, dass dort „jetzt ist die Zeit“ gar nicht steht:
Mk 1,15 – Lutherübersetzung 1984: „Die Zeit ist erfüllt.“
Mk 1,15 – Lutherübersetzung 2017: „Die Zeit ist erfüllt.“
Mk 1,15 – Zürcher Übersetzung: „Erfüllt ist die Zeit.“
Mk 1,15 – Elberfelder Übersetzung: „Die Zeit ist erfüllt.“
Mk 1,15 – Einheitsübersetzung 2016: „Die Zeit ist erfüllt.“
Mk 1,15 – Neue Genfer Übersetzung: „Die Zeit ist gekommen.“
Mk 1,15 – Basisbibel: „Die von Gott bestimmte Zeit ist da.“
Mk 1,15 – griechischer Urtext: peplärootai ho kairos
In Mk 1,15 wird am Anfang des Markusevangeliums auf die einzigartige Zeit hingewiesen, die mit Jesus Christus begonnen hat; mit Jesus Christus erfüllt sich die Zeit.
Der Kirchentag weiß, dass sein Slogan „Jetzt ist die Zeit“ in Mk 1,15 gar nicht vorkommt und spricht deshalb etwas entschuldigend von „Übersetzungsvariante“. Wenn er ehrlich gewesen wäre, hätte er allenfalls von „Interpretationsvariante“ sprechen können, denn das griechische Original von Mk 1,15 lässt sich nicht mit „jetzt ist die Zeit“ übersetzen.
Es gibt allerdings eine Bibelstelle, die mit „jetzt ist die Zeit“ übersetzt werden kann oder sogar so übersetzt werden muss: 2. Korinther 6,2. Dort heißt es:
2. Kor 6,2 – Lutherübersetzung 1984: „Jetzt ist die Zeit der Gnade“
2. Kor 6,2 – Lutherübersetzung 2017: „Jetzt ist die willkommene Zeit“
2. Kor 6,2 - Zürcher Übersetzung: „Jetzt ist sie da, die ersehnte Zeit“
2. Kor 6,2 - Elberferlder Übersetzung: „Jetzt ist die hochwillkommene Zeit“
2. Kor 6,2 - Einheitsübersetzung 2016: „Jetzt ist sie da, die Zeit der Gnade“
2. Kor 6,2 – Neue Genfer Übersetzung: „Jetzt ist die Zeit der Gnade“
2. Kor 6,2 - Basisbibel: „Jetzt ist die rechte Zeit.“
2. Kor 6,2 – griechischer Urtext: „nyn kairos“; kann fast schon ohne Griechischkenntnisse als „jetzt ist die Zeit“ erkannt werden: „nyn“ – nun/jetzt und „kairos“ – Zeit/günstige Zeit.
Damit stellt sich die entscheidende Frage, warum der Kirchentag als Beleg für seinen Slogan ausgerechnet eine Bibelstelle angibt, die gar nicht so recht zu seinem Slogan passt; und warum er nicht die Bibelstelle angibt, die viel besser zu seiner Losung passt.
Die Antwort gibt der Kirchentag selbst. Bei der Vorstellung der Kirchentagslosung betont er, dass es ihm um ein „klares Aufbruchssignal zur Abkehr von zukunftsgefährdenden Lebensweisen und Verhaltensweisen“ geht.
Diese Intention des Kirchentags passt zur Politik von Zeitenwende, Energiewende, Heizungswende, Verteidigungswende, Ernährungswende, Wohlstandswende.
Zu dieser Intention passt allerdings 2. Korinther 6,2 gar nicht, denn dieser Bibelvers betont die Gegenwart als Gnadenzeit: „Siehe, jetzt ist die Zeit der Gnade. Siehe, heute ist die Stunde des Heils.“ Die biblisch eigentlich viel besser zum Kirchentags-Slogan passende Bibelstelle widerspricht der gegenwärtigen politisch korrekten Meinung, nach der die Gegenwart eine Klima-Katastrophenzeit ist, die die Zukunft gefährdet.
So erkläre ich mir, warum der Kirchentag auf Markus 1,15 ausgewichen ist und warum er versucht, diese Bibelstelle mit einigen angestrengten Klimmzügen auf seinen Slogan hin umzubiegen. Der Zweck heiligt die Mittel. Der Zweck der politischen Korrektheit heiligt das Mittel der Bibelzurechtbiegung.
Aus dem evangelischen „allein die Schrift“ („sola scriptura“) ist „allein die Ideologie“ geworden. Der politischen Ideologie hat sich die Heilige Schrift unterzuordnen.
Im Slogan des Kirchentags mit seiner fragwürdigen biblischen Unterlegung spiegelt sich die theologische Krise eines ideologisch-politisierten Protestantismus wie in einer kleinen Nussschale. Politische Theologie verdirbt nicht nur die Politik, sondern ebenso die Theologie.
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Ulrich Motte 20. Juni 2023: Fast jeder Protestant findet
in seiner Nähe eine evangelisch-konservative Konfession mit einer Gemeinde oder wenigstens eine konservativere. Im Extremfall: Fernmitglied werden!
Schillerlocke 20. Juni 2023: Am allerschlimmsten
war ja wohl das "Christa eleison", das im Abschlussgottesdienst eine Jazz-Sängerin anstimmte, und die Hetzrede der predigenden Person brachte das Fass dann vollends zum Überlaufen. Hinterher beschwerten sich die Veranstalter, dass es höchst unfreundliche Kommentare wegen der Predigt gegeben habe. Da mögen sich einige vermutlich deutlich im Ton vergriffen haben. Es gilt aber auch das Sprichwort: Wie es in den Wald hineinruft, so ruft es dann auch heraus. Für die Ökumene war die Veranstaltung jedenfalls ein rabenschwarzer Tag.
stiegenkirche 20. Juni 2023: Uwe Lay, Chris2
In der neuen EU steht bereits:
Einheitsübersetzung 2016
5 Selig die Sanftmütigen; / denn sie werden das Land erben.
Nicht wie sie falsch behaupten (Uwe Lay). Man singt auch noch im Gottesdienst 651 2 die alte Vision. Ich finde da nichts dabei.
Außerdem finde ich es unerhört, dass Chris2 für seine Unsinn Zustimmung bekommt. Als ob es eine Versuchung wäre den Armen in der Dritten Welt Nahrung aus unseren Reichtum zukommen zu lassen. Da sind sie wirklich dem Teufel auf dem Leim gegangen.
lesa 20. Juni 2023: Sanftmütig: Kraft nicht durch Durchsetzen des Eigenwillens, sondern Kraft aus dem Empfangen
@Uwe Lay: Ja, schade, dass dieses Wort "praýs" (sanftmütig, milde) um seine Aussage gebracht wurde. "Keine Gewalt anwenden" ist nur ein Teilaspekt, wenn auch kein unwichtiger. Aber das "praýs", das im NT öfters vorkommt, drückt in einmaliger Weise das innerste Wesen Jesu aus. Wir kennen die Heilszusage Sacharja 9, 9f, die am Palmsonntag gelesen wird: "Juble aut Tochter Zion!...Siehe. dein König kommt zu dir, auf dem Jungen einer Eselin. Er ist gerecht und hilft. Er verkündet den Frieden." Das ist mehr, als sich zu entscheiden, keine Gewalt anzuwenden. Um Rückgratlosigkeit handelt es sich nicht, sondern darum, dass Jesus alle Macht und Kraft vom Vater EMPFÄNGT. Wie befreiend!
lesa 20. Juni 2023: Markusevangelium: Umkehr zu Christus, der durch Hingabe Rettung schafft
Danke für den Artikel! Es nicht allen alles gleichgültig, Gott sei Dank!
"Die Zeit ist erfüllt, und das Reich Gottes ist nahegekommen. Kehrt (ändert euren Sinn, tut Buße) und glaubt an das Evangelium." (Mk 1, 15)
Es geht um die Erfüllung einer Verheißung: In der Person Jesu Christi ist das Reich Gottes selber angekommen, mit Ihm der verheißene Messias. Es geht hier um GOTTES Heilshandeln - im Sinne von Jesaja, der von demjenigen spricht, auf dem der Geist Gottes ruht. Im Markusevangelium geht um jene Macht, die durch die Hingabe des Gottesknechte ihre Herrschaft angetreten hat und die der Sohn gottes als der ewige Hohepriester nach wie vor durch sein Erlösungshandeln ausübt - bis zum Ende der Zeiten. Also irgendwelche selbstgebastelte, politische Ideen laufen dieser Botschaft geradewegs zuwider, sofern sie nicht im Wort Gottes verwurzelt sind. Wenn man das Wort Gottes aber beliebig übersetzt und ändert - dann hört sich allerdings alles auf.
stiegenkirche 20. Juni 2023: Uwe Lay
Einheitsübersetzung 2016
5 Selig die Sanftmütigen; / denn sie werden das Land erben.
Wobei ich beide Übersetzungen sehr gut finde!
einsucher 20. Juni 2023:
Ich habe die Formulierung bei Mk 1,15 in zwei Übersetzungen der Bibel wörtlich gefunden: Hoffung für Alle und Neues Leben.
Uwe Lay 20. Juni 2023: Falschübersetzungen
Die Einheitsübersetzung macht aus:"Selig sind die Sanftmütigen" (Mt 5,5): "Selig,die keine Gewalt anwenden"! Diese "Übersetzung" ist vom griechischen Text unmöglich, aber der damalige pazifistische Zeitgeist wollte diese "Übersetzung"!Um dem Antiintellektualismus willen wird aus der "Erkenntnis des Heiles" (Lk 1,77) "die Erfahrung des Heiles".
Uwe Lay Pro Theol Blogspot
stiegenkirche 20. Juni 2023: Chris2 auch für ihr Bibelverständnis!
Die stilistisch gehobene Wendung »jemandem Steine geben statt Brot« hat die Bedeutung »jemanden mit leeren Worten abspeisen statt ihm wirklich zu helfen«. Daher Umkehrschluss jemanden Brot geben, der es nötig hat!
Matthäus 7.9 Oder ist einer unter euch, der seinem Sohn einen Stein gibt, wenn er um Brot bittet,
Chris2 20. Juni 2023: "Damit aus diesen Steinen Brot werde"
Mit diesem fromm klingenden Bibelzitat protestierte das Erzbischöfliche Jugendamt München Ende der 90er in seinem Schaukasten gegen den Hunger in der Dritten Welt. Man kann sich nur schwerlich vorstellen, dass niemand nachgeschlagen haben könnte, von wem das Zitat stammt: Vom Teufel höchstpersönlich, als er Jesus in der Wüste von seinem Erlösungswerk abzubringen versucht hatte. Wie man sieht, ist der Missbrauch der Bibel und die eigene Selbstentlarvung noch steigerungsfähig...
dalex 20. Juni 2023: Lied als Pate
Ich denke, das bekannte Lied „Jetzt ist die Zeit, jetzt ist die Stunde. Heute wird getan oder auch vertan, worauf es ankommt, wenn er kommt.“ wird Pate gestanden haben. Allerdings ist es megapeinlich, dazu nicht die passenden Referenzen im Evangelium zu kennen.
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