Aktuelles | Chronik | Deutschland | Österreich | Schweiz | Kommentar | Interview | Weltkirche | Prolife | Familie | Jugend | Spirituelles | Kultur | Buchtipp
vor 2 Tagen in Aktuelles, 2 Lesermeinungen
Artikel versenden | Tippfehler melden
Papst Leo XIV. über die unermüdliche Gnade Gottes – Eine Auslegung der Arbeiter im Weinberg als Trost für die Vergessenen, die Späten und die Suchenden unserer Zeit. Ein Gott, der bis zur letzten Stunde ruft. Von Armin Schwibach
Rom (kath.net/as) „Denn mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Gutsbesitzer, der früh am Morgen hinausging, um Arbeiter für seinen Weinberg anzuwerben. Er einigte sich mit den Arbeitern auf einen Denar für den Tag und schickte sie in seinen Weinberg. Um die dritte Stunde ging er wieder hinaus und sah andere auf dem Markt stehen, die keine Arbeit hatten. Er sagte zu ihnen: Geht auch ihr in meinen Weinberg! Ich werde euch geben, was recht ist. Und sie gingen. Um die sechste und um die neunte Stunde ging der Gutsherr wieder hinaus und machte es ebenso. Als er um die elfte Stunde noch einmal hinausging, traf er wieder einige, die dort standen. Er sagte zu ihnen: Was steht ihr hier den ganzen Tag untätig? Sie antworteten: Niemand hat uns angeworben. Da sagte er zu ihnen: Geht auch ihr in meinen Weinberg!“ (Mt 20,1-7).
„Ich möchte wieder bei einem Gleichnis Jesu innehalten. Wieder ist dies eine Geschichte, die unsere Hoffnung nährt“. In der dritten Generalaudienz seines Pontifikats hat Papst Leo XIV. das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg (Mt 20,1–16) in den Mittelpunkt seiner Betrachtung gestellt. Es ist ein Gleichnis der Hoffnung – besonders für jene, die sich übersehen fühlen, die sich als zu spät gekommen oder als nicht gebraucht empfinden. Der Papst legte das Gleichnis mit jener ihn auszeichnenden spirituellen Tiefe aus: existenziell, biblisch fundiert und von seelsorglicher Nähe getragen.
Der Papst begann mit einer nüchternen Feststellung: Viele Menschen unserer Zeit haben das Gefühl, ihr Leben habe keinen Sinn. Sie fühlen sich wie Tagelöhner auf einem Marktplatz – wartend, nicht gebraucht, übersehen. Die Zeit vergeht, das Leben zieht vorbei, ohne dass sich jemand ihrer annimmt. Andere seien schneller gewesen, oder die Sorgen des Alltags hätten uns aufgehalten.
Der Marktplatz, so Leo XIV., sei ein sprechendes Bild für unsere moderne Gesellschaft: ein Ort des Handels und der Bewertung, an dem auch die menschliche Würde zur Verhandlungsmasse werde. Wenn ein Mensch sich nicht wertgeschätzt und anerkannt fühlt, entsteht die Versuchung, sich selbst zu entwerten – sich dem erstbesten Angebot zu überlassen. Umso kraftvoller sei die Botschaft des Gleichnisses: Das Leben eines jeden Menschen hat Wert – und Gott will, dass wir diesen Wert erkennen.
Im Zentrum des Gleichnisses steht ein Gutsbesitzer, der selbst hinausgeht, um Arbeiter für seinen Weinberg zu suchen. Er geht früh am Morgen, dann noch einmal um neun Uhr, um zwölf, um drei – und schließlich, überraschend, auch um „die elfte Stunde“, also um fünf Uhr nachmittags. Das ist nur eine Stunde vor Arbeitsende. Warum tut er das?
Die Antwort liegt im Wesen dieses Gutsbesitzers, der ein Bild für Gott ist. Er will nicht nur einen Ertrag für seinen Weinberg – er will, dass jeder Mensch eine Aufgabe findet, einen Platz, einen Sinn. Selbst jene, die den ganzen Tag über nicht zum Zug gekommen sind, ruft er noch. Gerade sie. Die Hoffnung dieser letzten Stunde ist nicht weniger groß als die der ersten. Auch wenn ein Mensch meint, seine Zeit sei vorbei, das Leben liege hinter ihm oder sei an ihm vorübergegangen: Gott ruft immer noch. Er geht hinaus – auch um fünf Uhr.
Am Ende des Tages erhalten alle denselben Lohn: einen Denar, das übliche Tagesgehalt. Diejenigen, die früh begonnen haben, murren. Doch der Hausherr bleibt bei seiner Entscheidung: Niemandem wird etwas vorenthalten, aber allen wird aus Großmut gegeben. Er achtet nicht nur auf den Verdienst, sondern auch auf das Bedürfnis.
Der Papst deutet dies als Zeichen göttlicher Gerechtigkeit, die nicht nach Leistung, sondern nach Liebe bemisst. Gott kennt die Würde eines jeden Menschen. Und was in seinen Augen „gerecht“ ist, richtet sich nicht nach menschlichen Maßstäben, sondern nach dem, was der Einzelne zum Leben braucht. Der Denar steht für das Heil, für das Reich Gottes – und es ist Gottes Wunsch, es allen zu schenken, nicht nur den Ersten, den Tüchtigen oder den Erfolgreichen.
In einer eindringlichen Passage wandte sich Leo XIV. besonders an die jungen Menschen. Wer erkennt, dass der Herr ruft, sollte nicht zögern, sondern sich aufmachen und antworten: „Ich möchte vor allem den jungen Leuten sagen, dass sie nicht warten sollen, sondern mit Begeisterung auf den Herrn reagieren sollen, der uns zur Arbeit in seinem Weinberg ruft. Zögert nicht, krempelt die Ärmel hoch, denn der Herr ist großzügig, und ihr werdet nicht enttäuscht sein! Wenn ihr in seinem Weinberg arbeitet, werdet ihr eine Antwort auf die tiefe Frage finden, die ihr in euch tragt: Was ist der Sinn meines Lebens?“.
Der Papst zitierte dazu den heiligen Augustinus mit den Worten: „Warum zögerst du, dem zu folgen, der dich ruft, während du dir des Lohnes sicher bist, aber des Tages nicht? Pass auf, dass du dir nicht durch dein Zaudern das verscherzt, was er dir nach seiner Verheißung geben wird“ (Sermo 87, 6, 8). Diese Worte sind keine Drohung, sondern ein Appell zur Hoffnung: Jeder Tag kann der erste Tag im Weinberg des Herrn sein. Und jeder Dienst, selbst in der letzten Stunde, ist bedeutungsvoll.
Zum Abschluss richtete Papst Leo XIV. einen tröstlichen Aufruf an alle, die sich vom Leben enttäuscht fühlen, deren Hoffnung erschöpft ist oder die im Dunkel ihrer Fragen verharren. Gott, so sagte er, kommt auch dann noch, wenn wir ihn nicht mehr erwarten. Er lässt uns nicht allein. Und er ist großherzig und wird kommen – bald.
Diese dritte Generalaudienz war eine Einladung zur Hoffnung für alle, die sich überflüssig fühlen. Für Gott gibt es kein „zu spät“. Wer sich aufmacht und ihm sein Herz öffnet, empfängt – ganz gleich wann – das volle Maß seiner Güte.
Die Pilger und Besucher aus dem deutschen Sprachraum grüßte der Heilige Vater mit den folgenden Worten:
Liebe Brüder und Schwestern deutscher Sprache, in den Tagen vor dem Hohen Pfingstfest wollen wir den Herrn um die Gabe seines Geistes bitten. Er möge unser Leben mit seiner Liebe prägen und so das Angesicht der Erde erneuern.
— KATH.NET (@KatholikenNet) June 4, 2025
Foto (c) Vatican Media
Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte helfen Sie kath.net und spenden Sie jetzt via Überweisung oder Kreditkarte/Paypal!
hanna11 vor 2 Tagen: Ermunterung zur Hoffnung
Die Arbeiter der 11 Stunde werden nicht den Lohn der Arbeit, sondern der Barmherzigkeit erhalten.
gebsy vor 2 Tagen: "Gott will, dass wir diesen Wert erkennen"
Unsere sicherste Wirklichkeit, uns in der Liebe Gottes zu wissen, gibt uns die Chance, nicht mutlos zu werden.
Um selbst Kommentare verfassen zu können nützen sie bitte die Desktop-Version.
© 2025 kath.net | Impressum | Datenschutz