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vor 2 Tagen in Aktuelles, 1 Lesermeinung
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Der Beschuss einer Kirche im Gazastreifen am Donnerstag schlägt weiter hohe Wellen - Chefdiplomat des Papstes fordert einen Untersuchungsbericht - Papst, Trump und Netanjahu telefonierten
Vatikanstadt/Rom (kath.net/KAP) Nach dem Beschuss der einzigen katholischen Kirche im Gaza-Streifen durch israelisches Militär fordert der Vatikan eine Untersuchung des Vorfalls. Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin sagte dem italienischen Fernsehsender RAI2, der Vatikan erwarte, dass die israelische Regierung die Ergebnisse der von ihr versprochenen Untersuchung zu dem Vorfall bekannt gebe. Nach vielen Worten sei es jetzt Zeit für Fakten. Das Interview wurde am Freitagabend geführt und am Samstag unter anderem von der Plattform Vatican News verbreitet.
Parolin betonte, der Anruf des israelischen Premiers Benjamin Netanjahu bei Papst Leo XIV. vom Freitagmorgen sei "angebracht" gewesen und führte aus: "Man konnte schlechterdings nicht umhin, den Papst über das Geschehene zu informieren, denn es handelt sich um einen absolut schwerwiegenden Vorfall."
Zweifel an irrtümlichem Beschuss der Kirche
Die Nummer zwei im Vatikan forderte, die israelische Regierung müsse nun "sagen, was wirklich passiert ist." Sie müsse aufklären, ob der Beschuss der Kirche "tatsächlich ein Irrtum war - und das darf man legitimerweise bezweifeln - oder ob man direkt eine christliche Kirche treffen wollte in dem Wissen darum, dass die Christen ein Element der Mäßigung im Nahem Osten sind." Als einen möglichen Grund für den Beschuss nannte der Kardinal "den Wunsch, jegliches Element zu beseitigen, das wenigstens zu einem Waffenstillstand und dann zum Frieden beitragen könnte."
Parolin betonte, dass im Gaza-Krieg schon viele Grenzen überschritten worden seien. Der Heilige Stuhl fordere weiterhin eine Angemessenheit (Proportionalität) des militärischen Handelns. Derzeit sehe man aber einen "grenzenlosen Krieg"; mit Blick auf die Bevölkerung von Gaza sprach der Kardinal von "zerstören und aushungern". Zugleich betonte er, der Heilige Stuhl sei weiterhin bereit, auch in diesem Krieg die Rolle eines Vermittlers einzunehmen, falls dies beide Seiten wünschten.
Papst, Trump und Netanjahu telefonierten
Nach dem Beschuss der katholischen Kirche in Gaza durch einen Panzer seiner Armee hatte sich Israels Premier Benjamin Netanjahu um Schadensbegrenzung bemüht. Wie der Vatikan mitteilte, rief der Regierungschef am Freitag persönlich Papst Leo XIV. in dessen Residenz in Castel Gandolfo an, um über den Vorfall zu sprechen.
Bereits am Donnerstag hatten in Israel Streitkräfte, das Außenministerium und das Büro des Premierministers den Vorfall in schriftlichen Erklärungen bedauert. Sie betonten übereinstimmend, dass Israel Zivilisten schützen und keine religiösen Stätten angreifen wolle.
In dem Telefonat am Freitagmorgen erneuerte der Papst laut Vatikan seinen Appell für einen Waffenstillstand und für Verhandlungen zur Beendigung des Krieges. Weiter drückte der Papst demnach seine große Sorge über die dramatische humanitäre Situation der Bevölkerung im Gazastreifen aus, deren erschütternden Preis insbesondere Kinder, alte und kranke Menschen zahlen müssten. Abschließend habe Leo XIV. die Notwendigkeit betont, Gotteshäuser und Gläubige sowie alle Menschen in Palästina und Israel zu schützen.
Fataler Treffer
Am Donnerstag hatte ein israelisches Panzergeschoss die einzige katholische Kirche in Gaza getroffen, wo seit Kriegsausbruch Hunderte Menschen Zuflucht gefunden haben. Die Kirche wurde beschädigt, es gab Tote und Verletzte. Am Donnerstagabend reagierte Papst Leo XIV. zunächst mit einem Beileids-Telegramm.
Darin hieß es, er sei tief betrübt über die Todesfälle und die Verletzungen "durch eine militärische Attacke". Der Papst verzichtete darauf, Israels Armee als Schuldigen zu nennen - offenbar, weil man im Vatikan der Erklärung folgte, dass es sich um ein Versehen gehandelt habe.
Das Büro von Premierminister Netanjahu reagierte mit einem ungewöhnlichen Dank an Papst Leo für seine "Worte des Trostes". Zugleich war in dem Text von tiefem Bedauern die Rede. Wörtlich hieß es: "Israel bedauert sehr, dass verirrte Munition die Kirche der Heiligen Familie getroffen hat." Jedes unschuldige Todesopfer sei eine "Tragödie". Und weiter: "Wir teilen die Trauer der Familien und der Gläubigen." Israel untersuche den Vorfall und bemühe sich weiterhin darum, Zivilisten und religiöse Stätten zu schützen.
Offenbar hatte zuvor US-Präsident Donald Trump bei der Telefon-Diplomatie eine aktive Rolle gespielt. In Washington teilte Regierungssprecherin Karoline Leavitt mit, dass Trump Netanjahu angerufen habe, als er von dem Vorfall mit der Kirche erfahren habe. Trump habe in dem Gespräch "nicht positiv" auf die Nachricht aus Gaza reagiert.
Zwei christliche Patriarchen in Gaza
Unterdessen reisten die beiden ranghöchsten christlichen Geistlichen im Heiligen Land zu den notleidenden Menschen im Gazastreifen. Kardinal Pierbattista Pizzaballa und das Oberhaupt der griechisch-orthodoxen Christen, Patriarch Theophilos, wollten unter anderem 500 Tonnen Hilfsgüter dorthin bringen, hieß es aus dem italienischen Außenministerium.
Papst Leo telefonierte auch mit den beiden Patriarchen und sprach abermals "allen unschuldigen Opfern in dieser Zeit des Schmerzes im Heiligen Land und im gesamten Nahen Osten" sein Mitgefühl aus. Er bete für den Frieden und setze sich unermüdlich dafür ein, denn nur im Frieden könnten alle Beteiligten ihre Menschlichkeit bewahren.
Zudem rief der Papst den Ordensoberen des bei dem Angriff verletzten Geistlichen Gabriel Romanelli an. Der aus Argentinien stammende Romanelli ist der einzige katholische Pfarrer im Gaza-Streifen. Dort leben rund tausend Christen inmitten einer überwiegend islamischen Bevölkerung.
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Burchard vor 2 Tagen: Danke Eminenz!
Wie oft hat man Parolin im Vorfeld des Konklaves vorgeworfen, er sei "grau" und wenig charismatisch?
Auch wenn er offensichtlich nicht zum Nachfolger von Papst Franziskus berufen war, zeigt diese Meldung, wie wichtig er als Diplomat, der auch bei schrecklichen Nachrichten unaufgeregt seine Arbeit macht, ist. Es ist hilfreich, wenn Leo XIV. die Aufklärung nicht selbst fordern muss, die Israel schuldet:
Denn ein "Bedauern" des Vorfalls ersetzt eine Bitte um Vergebung ebensowenig, wie die Rede vom Irrtum eine Aufklärung darstellt. Wenn jemand (wer? der Panzerführer vor Ort, der Befehlshaber, Netanjahu?) geirrt hat, muss er sich ja etwas vorgestellt haben, was die Schüsse gerechtfertigt hätte. Welche Vorstellung war das und worin läge die Rechtfertigung?
Es tut gut, dass Parolin dies sieht und die Diplomatie der Kirche entsprechend ausrichtet. Freilich: Diplomatie gedeiht im öffentlichen Raum schlecht. Umso besser hier die Fürbitte, auch, dass sie vor weiteren "Irrtümern" bewahren möge.
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