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vor 2 Tagen in Aktuelles, 1 Lesermeinung
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Papst Leo XIV.: ‚Mich dürstet‘ und das ‚Es ist vollbracht‘. Über die letzte Bitte Jesu und die Vollendung der Liebe am Kreuz. Von Armin Schwibach
Rom (kath.net/as) „Danach, da Jesus wusste, dass nun alles vollbracht war, sagte er, damit sich die Schrift erfüllte: Mich dürstet. Ein Gefäß voll Essig stand da. Sie steckten einen Schwamm voll Essig auf einen Ysopzweig und hielten ihn an seinen Mund. Als Jesus von dem Essig genommen hatte, sprach er: Es ist vollbracht! Und er neigte das Haupt und übergab den Geist“ (Joh 19,28-30).
Liturgischer Gedenktag des heiligen Gregor des Großen. Im Zentrum der Katechese von Papst Leo XIV. bei der Generalaudienz - der zwölften des Pontifikats - stand das Wort des Johannesevangeliums. Dort begegnen uns im Bericht der Passion zwei Worte, die das Geheimnis des Kreuzes und des Lebens Jesu zusammenfassen: „Mich dürstet“ (Joh 19,28) und „Es ist vollbracht“ (Joh 19,30). Der Papst erklärte: „Im Herzen des Passionsberichtes, im Augenblick des größten Lichtes und zugleich der größten Dunkelheit im Leben Jesu, überliefert uns das Johannesevangelium zwei Worte, die ein unergründliches Geheimnis bergen: ‚Mich dürstet‘, und gleich danach: ‚Es ist vollbracht‘. Letzte Worte, aber erfüllt von einem ganzen Leben, die den Sinn der Existenz des Sohnes Gottes offenbaren“.
Jesus erscheine am Kreuz nicht als Held, sondern als einer, der bittet. Der Papst betonte: „Am Kreuz erscheint Jesus nicht als ein siegreicher Held, sondern als ein Bettler der Liebe. Er verkündet nicht, er verurteilt nicht, er verteidigt sich nicht. Er bittet demütig um das, was er sich selbst nicht geben kann“. Die Worte „Mich dürstet“ seien nicht nur Ausdruck körperlicher Qual, sondern wiesen tiefer: „Der Durst des Gekreuzigten ist nicht allein das Bedürfnis eines geschundenen Körpers. Er ist auch und vor allem Ausdruck einer tiefen Sehnsucht: der Sehnsucht nach Liebe, nach Beziehung, nach Gemeinschaft“.
Darum zeige Jesus, dass Liebe nicht nur Gabe, sondern auch Bitte sei: „Ein Gott, der nicht zögert, um einen Tropfen zu bitten, sagt uns in dieser Geste, dass die Liebe, um wahr zu sein, auch zu bitten lernen muss und nicht nur zu geben“. Das Kreuzeswort führt damit in die Mitte der menschlichen Erfahrung: „‚Mich dürstet‘, sagt Jesus, und auf diese Weise offenbart er seine Menschlichkeit und auch die unsere. Niemand von uns genügt sich selbst. Niemand kann sich allein retten. Das Leben ‚vollendet‘ sich nicht, wenn wir stark sind, sondern wenn wir lernen zu empfangen“. Darauf folgt das Wort „Es ist vollbracht“: „Und genau in diesem Moment, nachdem er aus fremden Händen einen mit Essig getränkten Schwamm empfangen hat, spricht Jesus: ‚Es ist vollbracht.‘ Die Liebe ist bedürftig geworden, und gerade deshalb hat sie ihr Werk zu Ende geführt“.
Der Papst fasste zusammen: „Dies ist das christliche Paradox: Gott rettet nicht, indem er handelt, sondern indem er sich handeln lässt. Nicht indem er das Böse mit Gewalt besiegt, sondern indem er die Schwachheit der Liebe annimmt“. Das Geschehen am Kreuz zeige, dass menschliche Erfüllung nicht im Machtanspruch, sondern im Vertrauen auf den anderen liege: „Am Kreuz lehrt uns Jesus, dass der Mensch sich nicht in der Macht verwirklicht, sondern im vertrauensvollen Öffnen gegenüber dem anderen, selbst wenn er feindlich gesinnt ist“.
Daraus folgt, dass auch unsere eigene Sehnsucht und unser Bedürfen nicht Zeichen des Scheiterns sind, sondern Weg zur Wahrheit: „Wenn auch der Sohn Gottes gewählt hat, sich nicht selbst zu genügen, dann ist auch unser Durst - nach Liebe, nach Sinn, nach Gerechtigkeit - kein Zeichen des Versagens, sondern der Wahrheit“. Das Evangelium widerspricht damit einer Welt, die auf Autonomie und Selbstgenügsamkeit setzt: „Wir leben in einer Zeit, die Selbstgenügsamkeit, Leistung und Effizienz belohnt. Doch das Evangelium zeigt, dass das Maß unserer Menschlichkeit nicht durch das bestimmt ist, was wir erobern können, sondern durch die Fähigkeit, uns lieben zu lassen und, wenn nötig, auch Hilfe anzunehmen“.
Der Papst betonte schließlich die befreiende Dimension des Bittens: „Jesus rettet uns, indem er uns zeigt, dass Bitten nicht entehrend, sondern befreiend ist. Es ist der Weg, um aus der Verbergung der Sünde herauszutreten und in den Raum der Gemeinschaft einzutreten“. Damit wird die Bitte Jesu zur universalen Bitte der Menschheit: „Der Durst Jesu am Kreuz ist auch der unsere. Er ist der Schrei der verwundeten Menschheit, die noch immer nach lebendigem Wasser sucht. Dieser Durst entfernt uns nicht von Gott, sondern vereint uns mit ihm“.
Die Katechese schloss mit einem Appell: „In der Brüderlichkeit, im einfachen Leben, in der Kunst, ohne Scham zu bitten und ohne Berechnung zu schenken, verbirgt sich eine Freude, die uns zur ursprünglichen Wahrheit unseres Seins zurückführt: Wir sind Geschöpfe, geschaffen, um Liebe zu geben und zu empfangen. In dem Durst Christi können wir unseren Durst erkennen und lernen, dass es nichts Menschlicheres und nichts Göttlicheres gibt, als sagen zu können: Ich brauche. Fürchten wir uns nicht, zu bitten. Schämen wir uns nicht, die Hand auszustrecken. Gerade dort, in dieser Geste, verbirgt sich das Heil“.
Leo XIV. deutete sie Worte Christi mit Augustinus, der das „Mich dürstet“ nicht allein als körperliche Not, sondern als geistliche Bitte erkennt. „Er dürstete“, schreibt Augustinus, „weil er nach unserem Glauben dürstete“ (Tractatus in Ioannem 28,5). Im Durst Christi offenbart sich der Durst Gottes nach der Antwort des Menschen. Das Kreuzeswort wird so zum Zeichen einer Liebe, die den Glauben sucht, um ihn zu erfüllen, und die gerade im Bitten die Tür zur wahren Gemeinschaft öffnet.
Die Pilger und Besucher aus dem deutschen Sprachraum grüßte der Heilige Vater mit den folgenden Worten:
Liebe Brüder und Schwestern deutscher Sprache, das Blut und das Wasser, die aus der Seite Jesu am Kreuz entspringen, zeigen uns die unermessliche Liebe Gottes zu uns. Vergessen wir nicht, dass nur er, der Unendliche, unseren Durst nach dem Unendlichen stillen kann.
Foto (c) Vatican Media
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Kleine Maus vor 2 Tagen: Welch wunderbare tiefe Gedanken
und wie wahr! Wahre innere Größe zeigt sich gerade im demütigen Bitten-können.
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