
Aktuelles | Chronik | Deutschland | Österreich | Schweiz | Kommentar | Interview | Weltkirche | Prolife | Familie | Jugend | Spirituelles | Kultur | Buchtipp

vor 15 Stunden in Chronik, keine Lesermeinung
Artikel versenden | Tippfehler melden
Römisch-katholischer Oberhirte der ukrainischen Hafenstadt: Demonstrative Einheit der Konfessionen zum Geburtsfest Christi - Kirche dient zum Entladen bei der Beichte und zum Laden der Handys und Powerbanks.
Kiew (kath.net/ KAP)
Auch das Jahr 2025 war für die Ukraine von Zerstörung, Unsicherheit und menschlichem Leid aufgrund der anhaltenden russischen Angriffe geprägt. Als "sehr schwierig" beschreibt der Bischof der Hafenstadt Odessa, Stanislaw Szyrokoradiuk, die Lage vor Ort. Täglich sehe er die Folgen der Angriffe, sagte er am Montag im Telefonat mit der Nachrichtenagentur Kathpress: "Bombardierungen, Drohnen- und Raketenangriffe auf städtische Infrastruktur und Wohnhäuser waren zu Weihnachten sogar noch verstärkt, sodass es mehrtägige Ausfälle von Strom und Wasser gab." Dennoch habe die Bevölkerung weiterhin Widerstandskraft, und auch die Versorgung sei wiederhergestellt. "Gott sei Dank haben wir Stromgeneratoren, das System funktioniert. Odessa lebt", betonte Szyrokoradiuk.
Trotz der zuletzt noch verschärften Kriegssituation sei Weihnachten gefeiert worden, in einer Form, die die große Einheit im Land zum Ausdruck gebracht habe: Alle Kirchen - ukrainisch-orthodox, römisch-katholisch, griechisch-katholisch und protestantisch - haben das Fest erneut gemeinsam am 25. Dezember begangen, nachdem es bis 2023 unterschiedliche Weihnachtsdaten gab. "Nur das Moskauer Patriarchat beteiligte sich nicht und blieb beim alten Kalender", so der Bischof. In Odessa feierten die Bischöfe der verschiedenen christlichen Konfessionen den Heiligabend gemeinsam in Szyrokoriadiuks lateinischer Kathedrale. Am Christtag besuchte man die griechisch-katholische Kirche und feierte dort. "Es hat gut funktioniert", berichtete der römisch-katholische Oberhirte.
Die Bevölkerung nehme die Vereinheitlichung der Feiertage sehr positiv auf. Viele Gläubige empfänden es als die beste Lösung, da so ganz Europa und ein Großteil der christlichen Welt Weihnachten am selben Tag feiere. "Unsere Kathedrale war voll, viele Menschen kamen. Staatlich wie kirchlich waren alle zufrieden", so der Bischof. Damit sei auch das Gemeinschaftsgefühl gestärkt worden.
Verstärkte Angriffe zu Weihnachten
Dennoch bleibe die Realität des Krieges unvermindert präsent. Statt des schon oft erhofften Waffenstillstands zu Weihnachten seien die russischen Luftangriffe stärker als sonst gewesen, mit Drohnen und auch mit großen Raketen. "Jede Nacht gab es Luftalarm, Abschüsse und Einschläge", schilderte Szyrokoradiuk.
Trotz der erheblichen Schäden an Wohnblöcken, Industriegebieten und im Hafen gehe das Leben weiter. Die Menschen gingen weiterhin zur Arbeit und kämen auch in die Kirche, selbst der Hafenbetrieb mit Getreidelieferungen an vor der Küste wartende ausländische Schiffe werde durch mobile Teams fortgeführt. Zwei Schiffe seien jedoch jüngst getroffen worden, darunter ein kleineres türkisches, so der Bischof über die Gefahrenlage.
Pakete zum Überleben
Die Kirche übernehme in dieser Situation eine wichtige Rolle, indem sie Gottesdienste, Seelsorge, materielle Unterstützung und auch ganz alltägliche praktische Hilfen anbiete. "Unsere Kirchen sind offen. Menschen kommen dorthin, um ihre Handys und Powerbanks zu laden, denn unsere Generatoren funktionieren immer, zudem gibt es bei uns heißen Kaffee." Entscheidend sind für viele Menschen auch die humanitären Hilfen der Kirche, die vor allem über die Caritas läuft. Wie Bischof Szyrokoradiuk schilderte, gibt es in der Dompfarre von Odessa zweimal die Woche Ausgaben von Lebensmittelpaketen, in Summe 500 Pakete monatlich. Besonders Binnenflüchtlinge und alleinstehende ältere Menschen seien auf diese Hilfen angewiesen, da die Renten oft nur 60 Euro betragen.
Die finanzielle Unterstützung für diese Arbeit kommt aus dem Ausland. Szyrokoradiuk dankte insbesondere Deutschland, Italien und den USA sowie auch Österreich, deren Caritas neben Soforthilfe auch Unterstützung beim Wiederaufbau von Häusern und bei der Versorgung von Kranken, einschließlich AIDS-Patienten, engagiert ist. Diese internationale Solidarität ermögliche es, dass die Hilfe direkt bei den Bedürftigen ankomme, so der Bischof.
Politisches Spiel mit der Ukraine
Die politischen und diplomatischen Entwicklungen betrachtete der Bischof mit gemischten Gefühlen. Gespräche über ein Ende des Krieges - zuletzt am Sonntag war der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in Florida bei US-Präsident Donald Trump - seien zwar ein Hoffnungsschimmer, zugleich gebe es jedoch auch "viel politisches Spiel" dabei. Kritik übte Szyrokoradiuk an der USA, die trotz militärischer Unterstützung der Ukraine Russlands Präsident Putin hofiere, obwohl doch dieser für die massive Zerstörung des Landes mit über längst mehr als Hunderttausend Todesopfern verantwortlich sei. Eine Hoffnung sei hingegen Europas Haltung an der Seite der Ukraine. "Wir beten, dass diese Haltung bleibt", so Szyrokoradiuk.
Als wesentlichen Unterschied der beiden Zugänge nannte der Bischof die andere Definition von Frieden. Dieser müsse "Gerechtigkeit, Freiheit und Unabhängigkeit" umfassen, darüber bestehe in der Ukraine weiter Konsens, und das Volk wolle weiter darum kämpfen, dass hier keine Abstriche gemacht würden. Ein "ungerechter Frieden" sei für die Menschen hingegen keine Option; die Verteidigung eigenen Landes und die Sicherheit hätten oberste Priorität.
Kircheneinsatz für Freiheit
Freilich sind weite Teile im Osten und Süden des Landes nach wie vor von Russland besetzt, die wie weite Teile des Oblasts Cherson und die Krim teils auch zu Szyrokoradiuks Diözesangebiet gehören. Die Priester seien vor Ort geblieben, trotz großer Schwierigkeiten, berichtete der Bischof. "Sie feiern unter widrigen Bedingungen Messen, leisten Seelsorge und halten die kirchliche Präsenz aufrecht, weil sie ihre Gläubigen nicht verlassen wollten", betonte Szyrokoradiuk.
Im Unterschied zur Kirche des Moskauer Patriarchats - die laut Szyrokoradiuk von der Religion zu einem "Instrument staatlicher Propaganda" mutiert sei - seien die anderen christlichen Kirchen frei: "In der Ukraine gibt es weiterhin Religions- und Meinungsfreiheit, die Kirche kann auch Kritik an der Regierung üben." Bestehende Probleme wie die Korruption würden aber auch von Präsident Volodymyr Selensky vehement bekämpft.
Beichten und Beerdigungen
Als wichtigsten Beitrag der Kirchen für die kriegsgeplagte Ukraine bezeichnete der Bischof jedoch die Spendung der Sakramente wie Eucharistie und Versöhnung. Viel mehr als früher werde die Beichte nachgefragt, was auch dem Wegfall der Hindernisse dafür zu verdanken sei: "Vorher waren viele durch die fehlende kirchliche Hochzeit oder das Leben bereits in zweiter oder dritter Ehe davon ausgeschlossen. Doch schon unter Papst Franziskus fielen solche Hürden für die Ukraine für die Dauer des Krieges. Jeder kann beichten kommen und hier die Barmherzigkeit Gottes erfahren, da sich nun alle in Lebensgefahr befinden", so der Bischof. Viele suchten jedoch auch einfach im Gespräch mit Seelsorgern geistigen Rat oder Aufmerksamkeit.
Besonders belastend sind für den Bischof die fast täglichen Beerdigungen junger Soldaten und Todesopfer. "Jeden Tag sterben junge Menschen. Wir zeigen auf Christus, der mit 33 Jahren am Kreuz gestorben ist. Darin liegt der Trost und die Hoffnung auf Auferstehung und ewiges Leben", so Szyrokoradiuk. Inmitten von Zerstörung und Tod bleibe der Glaube für viele Menschen die letzte Quelle von Hoffnung und Orientierung.
Copyright 2025 Katholische Presseagentur KATHPRESS, Wien, Österreich (www.kathpress.at) Alle Rechte vorbehalten
Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte helfen Sie kath.net und spenden Sie jetzt via Überweisung oder Kreditkarte/Paypal!
Um selbst Kommentare verfassen zu können nützen sie bitte die Desktop-Version.

© 2025 kath.net | Impressum | Datenschutz